Staudamm
Der Staudamm, Energie – Gewinnung mit Wasserkraft
Die heutzutage zumeist angewandte Methode der Wasserkraftnutzung ist die, mittels eines Staudammes ein großes Gefälle zu erzielen, wobei die Turbinen und Generatoren innerhalb des Dammes Platz finden. Staudämme gibt es in so gut wie allen Ländern, allerdings in sehr unterschiedlichen Dimensionen. Ein Großteil dieser weltweit vorhandenen Dämme wird jedoch nur zur Speicherung von Nutz- und Regenwasser für die Landwirtschaft und zu Trinkzwecken genutzt und nur die größten Staudämme gelten der Stromversorgung – wobei hier mit einem durchschnittlichen Wirkungsgrad von rund 85 % gerechnet wird.
Ruine des Marib-Staudammes |
Der älteste Staudamm der Welt scheint im heutigen Jemen gestanden zu haben – bei Marib. Im Laufe seiner langen Geschichte, die bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurückreicht, waren zyklische Zusammenbrüche mehrfach Grund für große Flüchtlingswellen, die bis hinauf nach Mesopotamien reichten und dort jedes Mal zu heftigen Kämpfen und einer sich daran anschließenden kulturellen Erneuerung führten.
Der erste Damm, der nachweislich aus hydroelektrischen Erwägungen gebaut wurde, wurde 1894 am Willamette River bei Oregon City, Oregon, errichtet.
Im Jahr 1997 werden weltweit rund 36.000 Staudämme gezählt, davon befinden sich alleine in China etwa 18.000. Die Wasserkraft-Reservoire bedecken insgesamt eine Fläche von einer halben Million Quadratkilometern – was etwa der Größe Frankreichs entspricht. Die Stauseen mit dem größten Fassungsvermögen weltweit sind (Stand 1995):
Name | Land | Kapazität |
Owen Falls | Uganda | 204.800 Mio. m3 |
Bratsk | Rußland | 169.000 Mio. m3 |
Assuan | Ägypten | 162.000 Mio. m3 |
Kariba | Simbabwe/Sambia | 160.368 Mio. m3 |
Akosombo | Ghana | 147.960 Mio. m3 |
Daniel Johnson | Kanada | 141.851 Mio. m3 |
Guri | Venezuela | 135.000 Mio. m3 |
Krasnojarsk | Rußland | 73.300 Mio. m3 |
W.A.C. Bennett | Kanada | 70.309 Mio. m3 |
Seja | Rußland | 68.400 Mio. m3 |
Einer anderen Zählung zufolge gibt es 2005 mehr als 45.000 Staudämme mit einer Staumauer über 15 m Länge, während über 300 Staudämme als ‚Großstaudämme’ bezeichnet werden, weil sie entweder eine Mauer von über 150 m aufweisen oder mehr als 15 Mio. m3 Wasser fassen können. Die weltweite Planung sieht noch 46 große Staudämme vor: in China am Jangtsekiang, in Südamerika am Rio de la Plata, im Mittleren Osten am Euphrat-Tigris und in Indien am Gangessystem.
Tatsächlich drainieren 292 Flüsse mit Staudämmen 54 % der Erde. Die größte Flußregulation wurde am Volta-System Afrikas gefunden, und sie beträgt 428 %. Das bedeutet, daß die Speicherkapazität mehr als das Dreifache des jährlichen Durchflusses ausmacht. In Nordamerika sind der kanadische Manicougan-Fluß und in den USA der Colorado mit mehr als 250 % die großen Speicher, in Südamerika der Rio Negro in Argentinien (140 %). Im Mittleren Osten wird der Euphrat-Tigris (124 %) und in Asien der Mekong (130 %) als Speicher benutzt.
Die Aufstauung und Umleitung fließender Gewässer zugunsten der Landwirtschaft und besonders der Stromproduktion kann in Bezug auf Natur und Umwelt sehr nachteilige Folgen haben, die vorher meist nicht erfaßbar sind. Ein trauriges Paradebeispiel hierfür ist der Assuan-Staudamm in Ägypten, der im Nahen Osten als ‚Jahrhundertprojekt’ gefeiert worden war und über den ich hier etwas detaillierter berichten werde.
Zwischen 1892 und 1902 hat der britische Ingenieur Sir William Willcocks etwa 6 km südlich von Assuan einen Staudamm gebaut, um die Wassermassen des Nils vor allem beim jährlichen Hochwasser regulieren zu können. Der Damm besteht aus Granitblöcken, ist an der Sohle 35 m und an der Krone 12 m breit und ist etwa 2100 m lang. In den Jahren 1907 – 1912 bzw. 1929 – 1933 wurde er bis auf 54 m erhöht. Durch 180 Schleusentore konnte der Wasserstand reguliert werden und auch der für die ägyptische Landwirtschaft sehr wichtige, weil so fruchtbare Nilschlamm konnte den Staudamm passieren.
Zwischen 1960 und 1970 wurde dann rund 7 km südlich des alten Dammes mit sowjetischer Hilfe der neue, inzwischen international als Assuan-Staudamm bekannte Damm erbaut. Zunächst war er von Ingenieuren der deutschen Firma Hochtief geplant worden. Nachdem die USA und die Weltbank ihre Zusage, den Dammbau mitzufinanzieren, zurückgezogen hatten, weil die ägyptische Regierung die offiziell anerkannte, betrachteten es die, die um Einfluss auf dem Kontinent bemüht war, ebenso wie die ägyptische Regierung unter dem damaligen Staatspräsidenten Gamal Abdel Nasser als Prestigeprojekt. Daher bauten 2000 sowjetische Ingenieure und 30.000 Arbeiter an dem Projekt, das umgerechnet etwa 2,2 Mrd. Euro kostete. Das Wehr besteht aus einer gewaltigen Schotteraufschüttung mit einem Lehmdichtungskern und einem Betonmantel. Die Staumauer ist mehr als 3.600 m lang und 111 m hoch, an der Sohle 960 m und an der Krone etwa 100 m breit. Etwa 100.000 Menschen, hauptsächlich Nubier, mussten für das Projekt umgesiedelt werden. Die Füllung des Stausees begann schon im Jahr 1964, also noch während der Bauarbeiten, und war erst 1976 beendet.
Zwar verhindert der Staudamm – neben seiner Funktion als Elektrizitätserzeuger – die seit alters her berühmt-berüchtigten jährlichen Nil-Überschwemmungen, jedoch zeigt der inzwischen dadurch aufgetretene Mangel an ehemals mitgeschwemmten Lehm als natürlicher Dünger, daß derartige Industrie- und Entwicklungsprojekte besonders in Ländern der 3. Welt ein zweischneidiges Schwert sind. Der Mangel an Dünger ist einer der wichtigsten Gründe für die Krisen, die seit Bau des Staudamms das nördliche Nilgebiet, das ehemals als das fruchtbarste überhaupt galt, betroffen haben. Einmal muß dort nun teuer importierter und ökologisch gefährdender Kunstdünger benutzt werden, zum anderen haben die Töpfer- und Ziegelindustrien in jener Gegend ihrer Grundrohstoff verloren – ebenso, wie daß dadurch den Fischen an der Flußmündung nun die Nahrung entzogen worden ist, was wiederum die Existenz der Fischer dort in frage stellt.
Das ‚klare Wasser’ hinter dem Damm bewirkt außerdem eine starke Ufererosion – demgegenüber vermehren sich die Schädlinge wie Ratten u.ä. in extremer Weise, da sie nicht mehr durch die ehemals jährlich stattfindenden Überschwemmungen dezimiert werden. Die Rattenplage hat sich sogar schon bis nach Kairo hinein fortgesetzt, auf den Dörfern werden Kleinkinder angefallen, außerdem fressen die Nager mit Vorliebe Baumwollblüten, was zu extrem hohen wirtschaftlichen Schäden führt. 1984 wurde daraufhin eine Großoffensive mit Flammenwerfern gestartet, bei der 50.000 Mann unter der Leitung von 600 Experten im Einsatz waren. Es wurden dabei 56 Mio. Ratten getötet!
Doch auch die Stromproduktion, wegen der dieser Damm ursprünglich geplant wurde, funktioniert nicht so wie erwartet: Eigentlich sollten jährlich 10 Milliarden kWh erzeugt werden, was ca. 70 % des damaligen ägyptischen Elektrizitätsverbrauchs ausgemacht hätte, doch schon bald zeigte sich, daß statt dessen nur 6 bis 8 Mrd. kWh erreicht wurden. Die ursprüngliche Nennleistung von 2.100 MW wurde denn auch bald auf 1.750 MW nach unten korrigiert – was max. 30 % des Stromverbrauchs deckt.
Auch die hohe und vorher nicht exakt erfaßte Verdunstungsrate des gestauten Nilwassers führte zu Problemen, insbesondere zur Versalzung des ehemaligen Nildeltas am Mittelmeer und zur daraus resultierenden Abwanderung großer Volksmassen von Nord nach Süd. Ein vorher ebenso wenig erfaßtes extrem schnelles Verschlammen des Stausees (etwa 90 Mio. t pro Jahr), das mit nur sehr hohen Kosten und großem Aufwand behoben werden konnte und kann., bildet ein weiteres Manko. Hinzu kamen das Verströmen von Wasser in unterirdischen Kavernen, eine explosionsartige Vermehrung bestimmter, die Fischzucht behindernder Wasserpflanzen und das Auftreten von Malaria und Bilharziose in den ‚stehenden Gewässern’ des Stausees und der Kanäle. Und ähnlich wie bei dem Karibadamm tauchte auch hier eine ‚neue’ Krankheit auf – die Schistosmiasis.
Zu einer der größten ‚Plagen’ wurden die Wasser-Hyazinthen, die ursprünglich von dem ersten Herrscher des modernen Ägypten, Mohammed Ali, Anfang des 19. Jahrhunders aus Südamerika verschiffen und in einer Gartenanlage seiner Residenz anpflanzen. Von dort aus breitete sie sich in ganz Ägypten aus, wurde jedoch bis zum Bau des Dammes von der Natur in Schach gehalten, denn die Nilflut wusch die Kanäle jährlich aus. Als dann der Nil ‚reguliert’ wurde, begann die Pflanze von Assuan im Süden bis zum Nildelta im Norden so wild zu wuchern, daß sie das Wasser des Nils von den Bewässerungskanälen regelrecht abriegelt. Die extrem durstige Pflanze schafft es, einen frisch gesäuberten Kanal innerhalb von zwei bis vier Wochen völlig zu überwuchern. Man sollte allerdings auch nicht die positive Seite der Hyzinthe vergessen: sie reinigt das Wasser. Selbst stark verschmutztes Wasser ist nach hundert Metern auf seinem Weg durch ein Wasser-Hyazinthen-Dickicht wieder glasklar!
In den letzten Jahren ist vermehrt über die Problematik des Assuan-Dammes berichtet worden, z.T. wurde sogar schon der Ruf nach dem Abbau des Dammes laut. Berechnungen ergaben daraufhin, daß sich ein gefahrloses Ablassen des Stausees über einen Zeitraum von etwa 25 Jahren erstrecken würde.
Inzwischen bedroht der steigende salzhaltige Grundwasserspiegel schon dir Sphinx und die Pyramiden. Und nicht nur das: Im Jahr 1986 ergab eine zweijährige Untersuchung von US-Geologen, daß von dem Stausee zwar keine akute Gefährdung durch Erdbeben ausgehen würde, daß die Speichermasse aber trotzdem eine ‚Trigger-Funktion’ bei dem kleinen Erdbeben von 1981 gehabt hatte. Mit Beginn des Jahres 1988 erreichte der Wasserspiegel im Stausee ein Rekordtief, das erst mit der Flut aus dem Sudan im August wieder ausgeglichen wurde: Ende Juli war die 150 m-Marke erreicht, wobei man wissen muß, daß bei 147 m die Turbinen abgeschaltet werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte auch der Nil selbst seinen tiefsten Stand in Jahrhundertmaßstab erreicht und die Turbinen arbeitete sowieso schon mit nur halber Kapazität. Mitte August stieg durch die Flut dann der Wasserspiegel im Stausee auf 155 m. Trotz alledem werden in Ägypten Pläne für einen weiteren Staudamm bei Al-Raschid gemacht…
Anfang 1993 begannen mehrere europäische Firmen mit einer Generalüberholung der ältesten der drei Wasserkraft-Anlagen neben dem ersten Damm.
1997 wurde eine weitere Alarmmeldung bekannt: der US-Geologe Robert Johnson befürchte, daß die zunehmende Versalzung des Mittelmeeres durch das zurückgehaltene Nilwasser in etwa 100 Jahren eine neue Eiszeit auf der Nordhalbkugel bewirken wird. Das dichtere Wasser sinkt ab und strömt in der Tiefe durch die Straße von Gibraltar in den salzärmeren Atlantik. Die Folge davon sind möglicherweise umgelenkte Meeresströmungen und wachsende Eiskappen. Als Rettungsvorschlag nennt Johnson einen gigantischen Staudamm, der das Mittelmeer bei Gibraltar zurückhält (!). Fast zur gleichen Zeit veröffentlicht eine internationale Forschungsgruppe den Nachweis, daß Staudämme nicht nur die Ökosysteme in ihrer unmittelbaren Umgebung beeinflussen, sondern auch in 1.000 km Entfernung: So hält der bereits 1972 an der rumänisch-jugoslawischen Grenze errichtete Donau-Staudamm ‚Die eisernen Tore’ drei wichtige Nährstoffe des Phytoplankton zurück, nämlich Stickstoff-, Phosphor- und Siliziumverbindungen. Während dem Strom durch Düngung und Viehzucht Phosphate und Nitrate zugeführt werden, blieben die Siliziumverbindungen unersetzt, wodurch in den oberen Wasserschichten des Schwarzen Meeres eine um 60 % niedrigere Konzentration an gelöstem Silizium beobachtet wurde als noch 1960. Diese Änderung der Nährstoffzusammensetzung führt zum Schwund von Phytoplankton-Organismen, die Silizium für ihren Skelettbau benötigen. Stickstoffliebende Algenblüten vermehren sich dagegen unkontrolliert und setzen toxische Stoffe frei. Die Beeinflussung des Nährstoffgleichgewichtes wird als gravierend eingestuft, da das Phytoplankton das erste Glied der marinen Nahrungskette ist.
Eine andere ökologische Gefährdung wurde durch den 300 m3 großen Petit-Saut-Stausee in Französisch-Guyana bekannt, dessen Wasserkraftwerk den Strom für den europäischen ‚Raketenbahnhof’ liefert. Der dort unter Wasser gesetzte Regenwald produziert Untersuchungen zufolge, die zwischen 1996 und 1999 seitens des Labors für Atmosphärenbeobachtung in Toulouse durchgeführt wurden, so große Mengen an CO2 und Methan, daß das Land, gemessen am Pro-Kopf-Ausstoß zu einem der weltgrößten Produzenten der Treibhausgase geworden ist. Als das Petit-Saut-Reservoir 1991 geflutet wurde, hatte man den Wald zuvor nicht gerodet. Die Studie zeigt, daß besonders in tropischen Ländern die – an sich ja saubere – Wasserkraft über Jahrzehnte hinweg sogar stärker zum Treibhauseffekt beitragen kann als die Verbrennung fossiler Energieträger!
Erst im Mai 2007 berichteten Wissenschaftler aus Brasilien, daß sie eine Methode gefunden haben, wie man mit dieser Problematik klarkommen kann. Dabei soll das aufgefangene Methan in einem separaten Kraftwerk gleich auch noch zur Stromproduktion genutzt werden und die Gesamtleistung der Anlage anheben – bei besonders stark betroffenen Dämmen im Amazonasgebiet sogar um bis zu 50 %!
Die Physiker des Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais (INPE) trennen in ihrem System das stark methanhaltige Tiefenwasser des Staubeckens mittels einer Folie vom restlichen Wasserkörper. Das zu behandelnde Wasser wird dann an die Oberfläche gepumpt, dort entgast und dem Stausee anschließend an seiner Oberfläche wieder zugeführt.
Es ist also nachvollziehbar, daß Staudämme nicht immer nur erfolgreiche Resultate erbringen. Doch neben diesen, besonders in heißen Gebieten auftretenden Folgeproblemen ist bei Stauwerken in der Hauptsache die Gefahr der Dammbrüche zu erwähnen, die u.a. auf die geophysischen Wirkungen des Gewichtes der gestauten Wassermassen zurückzuführen ist.
Ende 1975 wurde so z.B. die Stadt Oroville, Kalifornien, zum zweiten Mal innerhalb von 6 Wochen von Erdstößen erschüttert. Lokale Wissenschaftler vermuten, daß der Druck der hinter dem Oroville-Damm gestauten Wassermassen der Grund hierfür ist, wobei die daraus resultierenden starken Belastungsänderungen des Bodens Erdbeben auslösen, die ihrerseits wiederum den Staudamm möglicherweise zerstören können (ein sehr gutes Beispiel für einen negativen Regelkreis!).
Es hat bereits mehrere große Überflutungen und Dammbrüche gegeben, von denen ich exemplarisch einige erwähnen werde:
Eine schlimme Dammkatastrophe ereignete sich am 31.05.1889 in Johnstown im US-Bundesstaat Pennsylvania. Nach den stärksten Regenfällen seit Jahrzehnten stieg der Pegel des Stausees um 10 – 15 Zentimeter pro Stunde. Zuerst überspülte das Wasser den South Fork Dam, bevor dieser dann gegen 15:15 Uhr Ortszeit ganz zusammenbrach. Mehr als 2.000 Menschen kamen bei der Katastrophen ums Leben.
Zu den bisher größten Katastrophen gehört auch die Überflutung des norditalienischen Vaiont Damms in den Tiroler Alpen am 09.10.1963. Der 1960 befüllte Damm am Fluß Piave war mit seiner Höhe von 260 m der damals weltweit höchste aus Beton gebaute hydroelektrische Damm. Nach tagelangen Regenfällen rutschen innerhalb von 30 Sekunden rund 240 Mio. m3 Felsen in das Reservoir. Zwar blieb der Damm selbst unversehrt, doch die Hälfte der gespeicherten Wassermassen wurden bis zu 300 m über das Niveau des Speichersees hinaufgeschleudert, zerstörten zwei Ortschaften, überfluteten dann die Dammkrone, und stürzten anschließend in Form einer 70 m hohen Welle auf den Ort Longarone. Insgesamt starben bei dieser Katastrophe 2.600 Menschen, die wirtschaftlichen Schäden wurden nie beziffert.
Anfang August 1975 fegte ein pazifischer Hurrikan über die südchinesische Provinz Fujian Province und brachte tagelange extreme starke Regenfälle mit sich. Am 08.08.1975 brach dann der Shimantan Damm am Fluß Hong, und das Reservoir entleerte seine 120 Mio. m3 innerhalb von fünf Stunden. Dies rief eine Kettenreaktion unter den tiefer liegenden Dämmen hervor – und schon kurze Zeit später brach auch der Banqiao Damm am Fluß Ru. Eine bis zu 6 m hohe Welle fegte mit einer Geschwindigkeit von 14 m pro Sekunde über 50 km weit, gefolgt von insgesamt 600 Mio. m3 Wasser. Insgesamt brachen bei dieser Katastrophe 62 Dämme und überfluteten mehrere Millionen Hektar landwirtschaftliche Anbaufläche, rund 11 Mio. Menschen waren davon betroffen, etwa 85.000 Menschen starben.
Der bislang jüngste Dammbruch ereignete sich nach tagelangen Regenfällen am 10.02.2005 im Südwesten Pakistans. Es handelt sich um den Shakidor-Damm nahe Pasni. Bei der anschließenden Überschwemmung sind über 100 Menschen ums Leben gekommen, Hunderte wurden vermißt. Häuser, Autos und Menschen sind mit dem Wasser bis in das Arabische Meer gespült worden. Durch die Fluten wurden insgesamt 11 Orte überschwemmt, in denen Zehntausende Menschen lebten. Alle Kommunikations- und Straßenverbindungen wurden unterbrochen, der Flughafen von Pansi überflutet. Der Damm war erst zwei Jahre alt, etwa 300 Meter breit und 35 Meter hoch.
Angesehene Staudammbauer und Geologen warnten im Jahr 2005 vor allem vor dem Damm in Itoiz (Italien). Die Gefahr hat sich hier zugespitzt, seit in der Provinz Navarra Erdbeben auftreten. Die würden durch die Befüllung des Sees induziert, weil das Gewicht auf Erdfalten im Untergrund drückt. Die Mauer des Staudamms hat eine Höhe von 135 m, der See soll bei völliger Befüllung 1.100 Hektar in den Tälern der Flüsse Irati und Urrobi überfluten und 418 km3 Wasser speichern. Seit mehr als einem Jahr wird der Staudamm befüllt. Mit dem Anstieg der Wassersäule steigt der Druck im Untergrund. Seit Juli 2004 werden die Bewohner der Gegend sprichwörtlich durchgeschüttelt, unter dem Staudamm begann die Erde zu grummeln. Zwischen September 2004 und März 2005 wurden in der Region mehr als 220 Erdbeben registriert, deren Epizentrum in etwa fünf Kilometer Tiefe unter dem See liegen. Sie erreichen eine Stärke von 4,6 Grad auf der Richterskala.
Bei weiterer Befüllung wächst auch die Gefahr für die instabile linke Hangseite, auf die sich der Damm stützt. Genau solches war 1963 im norditalienischen Vajont geschehen und hatte 2.600 Tote zu Folge. Falls sich der Itoiz-Damm durch Dammbruch komplett entleeren sollte, ist mit Strömen von 80.000 m3 bis 100.000 m3 pro Sekunde zu rechnen. Das wäre die bis zu 750fache Menge, wie sie bei Schmelzwasser im Frühjahr als Hochwasser des Irati auftritt. Selbst das Flußbett des weiter unten gelegenen Ebros würde hinweggefegt. Die am Irati und am Ebro liegenden die Städte Aoiz, Lumbier, Tudela, Zaragoza würden zum Teil stark betroffen. Auf dem Weg liegt auch der Atommeiler Ascó. Die Bürger von Aoiz hätten 20 Sekunden Zeit, bevor die Flutwelle die Kleinstadt von der Landkarte tilgen würde.
Schließlich muß auch erwähnt werden, daß durch den Rückstau der Wassermassen z.T. große bewohnte und bearbeite Gebiete überflutet werden, Einwohner müssen umgesiedelt und entschädigt, neue Landstriche mühsam kultiviert werden. Beim Bau des Euphrat-Staudammes in Syrien sind so 62.000 Bewohner aus 59 Dörfern umgesiedelt worden. Weitere Gefahren und Kosten hängen mit den sogenannten ‚Sinklöchern’ zusammen die am Boden des Staubeckens (z. B. im Tarbela-Staubecken in Pakistan) auftreten, weiterhin die Landversalzung um des Staudammgebiet herum oder auch das nicht selten vorkommende und durch Taifune oder Stürme verursachte lebensbedrohende ‚Überlaufen’ des Stauwassers. Ebenso besteht die Gefahr einer Verlandung (s. Assuandamm) durch Gesteinserosion.
Trotz alledem geht der Bau weiterer Großstaudämme weiter. Von den 1.070 Staudämmen, an denen 1992 weltweit gebaut wurde, entfiel die Hälfte auf Projekte in nur drei Ländern: China, Japan und die Türkei. Die ‚Weltkommission für Staudämme’ (WCD) zählte im Jahr 2000 insgesamt 45 000 Großstaudämme, von denen etwa die Hälfte der Energieerzeugung dienen. Die WCD schätzt, dass für ihren Bau weltweit 40 bis 80 Millionen Menschen vertrieben oder zwangsumgesiedelt wurden.
Nichtregierungsorganisationen wie das International Rivers Network prangern solches Vorgehen massiv an. Sie setzten die Weltbank so unter öffentlichen Druck, dass diese sich zunehmend aus der Finanzierung großer Projekte in armen Ländern zurückzog. Inzwischen bringen jedoch neue Finanziers wieder Bewegung ins Spiel. China und Indien etwa, die Nummern eins und drei in der Staudamm-Weltrangliste, bieten sich den kapitalarmen und wasserreichen Ländern als Partner an.
Am größten Wasserkraftwerk der Welt bauen die Chinesen ab 1993. Durch die Aufstauung des Jang-tse-kiang (oder Yangtze) wird ein 663 km langes Binnenmeer entstehen, dem dann 1,2 Millionen Menschen gewichen sein müssen. Insgesamt 20 Landkreise mit 140 Städten, 1.352 Dörfern, 1.600 Fabriken und 32.000 ha Ackerland versinken, während der Wasserstand die geplante Höhe von 175 m erreicht.
Dafür wird der VR China nach Fertigstellung des Drei-Schluchten-Dammes mit seiner 185 m hohen und 2309 m langen Staumauer sowie der Inbetriebnahme aller der insgesamt 26 Riesenturbinen im Jahr 2009 eine elektrische Leistung von 18.200 MW zur Verfügung stehen.
Die Turbinen stammen von dem Konzern Voith Siemens Hydro Power Generation, der im Jahr 2000 aus dem Zusammenschluß der Wasserkraftbereiche des Maschinenbaukonzerns Voith und der Firma Siemens entstanden war, und dessen Partner zusammengenommen für gut ein Drittel der auf der Erde installierten Wasserkraftkapazität die Turbinen und Generatoren geliefert haben.
Die Turbinen des ‚Drei-Schluchten-Dammes’ haben einen Durchmesser von 10 m, ein Gewicht von 420 Tonnen und erreichen 75 Umdrehungen pro Minute. Nach einem achtzig Meter tiefen Fall schieben sich die mächtigen Wassersäulen mit zwanzig Stundenkilometern in die Turbinen hinein. An den rotierenden Schaufeln beschleunigt das Wasser dann auf etwa 120 Stundenkilometer.
Der Stausee, an dessen Bau bis zu 23.000 Menschen beteiligt sind, soll 2013 den vorgesehenen Wasserspiegel von 175 m erreichen. Offizielle Gesamtkosten des Projekts 50 Milliarden DM (Nennung von 1998). Erwähnt werden sollte aber auch, daß die Idee zu diesem Staudamm nicht neu ist: bereits 1919 schwärmte Sun Yatsen, der Gründer des modernen China, von einem Drei-Schluchten-Damm, und auch Mao Tse-Tung verfaßte nach einem Bad im Jangtse ein Gedicht über das visionäre ‚Wunder von Menschenhand’.
(Satellitenfoto)
Neben der Staumauer und den Generatoren umfaßt das gigantische Projekt auch einen Schiffsaufzug für Schiffe bis 3.000 t und eine fünfstufige Schleuse für Schiffe bis 10.000 t, die vermutlich von deutschen Unternehmen gebaut werden wird.
Während das Ende der Betonbauarbeiten eigentlich für Frühjahr 2007 vorgesehen war, konnte der Staudamm schon nach zwölf Jahren Bauzeit im Mai 2006 fertiggestellt werden. In zwölf Jahren Bauzeit wurden 28 Mio. m³ Beton und 218.000 t Stahl verbaut.
Mit 192 t Dynamit wird dann im Juni 2006 der 580 m lange und 140 m hohe Behelfsstaudamm gesprengt, der bisher den Fluss Yangtze zurückgehalten hatte. Nun kann das Wasserkraftwerk bereits 2008 und damit ein Jahr früher als geplant in Betrieb gehen.
Dem Staudamm müssen allerdings noch mehr Menschen weichen als bisher geplant. Bis zur Fertigstellung 2008 werden nach Berichten staatlicher chinesischer Medien vom Oktober 2006 insgesamt statt 1,2 sogar 1,4 Millionen Bewohner umgesiedelt.
Differenzen gibt es zwischen Befürwortern und Kritikern des Projekts auch bezüglich der Kosten. Die ausländischen Kostenschätzungen seien nämlich falsch, meinten die Chinesen. Die Baukosten lägen mit 180 Milliarden Yuan (heute 18 Milliarden Euro) deutlich unter den ursprünglich geplanten 203 Milliarden. Niedrige Zinsen und strenge Ausgabenkontrollen hätten das Vorhaben billiger gemacht. Westliche Experten schätzen die wahren Kosten allerdings auf das doppelte der offiziellen Angaben.
Experten warnen vor geologischen Problemen, und Umweltschützer befürchten ein schnelles Verschlammen des Stausees durch die jährlich anfallende Menge an 680 Mio. t. Schlamm und Geröll, die der Jangtse mit sich schwemmt – so viel wie Nil, Mississippi und Amazonas zusammen. Als Beweis führen sie den Fall des kleineren Gezhouba-Dammes an, der sich nur wenige Kilometer flußabwärts vom ‚Drei-Schluchten-Damm’ befindet: Nach nur sieben Betriebsjahren war bereits ein Drittel des Staubeckens versandet, und die Stromproduktion mußte gedrosselt werden.
Und eine ‚Drei-Schluchten-Katastrophe’ taucht bereits in dem SF Accelerando von Charles Stross auf (erschienen 2005).
2006 wird in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters ein Beitrag über den Einfluß des Stausees auf den Niederschlag veröffentlicht. Dem zufolge wird es in den Daba- und Qinling-Bergen im Umland demnach feuchter, während die Niederschlagsmenge in der unmittelbaren Nähe des Dreischluchten-Stausees hingegen abnimmt. Vor allem aber sind die Wissenschaftler überrascht, dass ein zehn Mal so großes Gebiet von den Veränderungen betroffen ist, als man vorher angenommen hatte.
Im September 2007 erkennen sogar die chinesischen Experten die Umweltprobleme an.
Gefahren wie Lawinen, Bodenerosion, Wasserverschmutzung, Land- und Wassermangel und andere auf ‚unvernünftige Entwicklung’ zurückzuführende ökologische Schäden haben sich demzufolge tatsächlich verstärkt und die Wasserqualität der Nebenflüsse sei gesunken. Die durch die Ablagerungen verursachte Verschmutzung bedrohe in einem Landkreis die Trinkwasserversorgung von 50.000 Einwohnern und verstärke in vielen örtlichen Flüssen den Algenbefall. Das gigantische Projekt könnte außerdem zum Aussterben des seltenen Jangtse-Flußdelphins führen.
Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao hatte in diesem Jahr während eines Kabinettstreffens das Thema ebenfalls angesprochen und gesagt, die Lösung der durch den Staudamm ausgelösten Umweltprobleme habe für das Land Priorität.
Nur einen Monat später wird bekannt, daß noch einmal bis zu vier Millionen Anwohner des Drei-Schluchten-Staudamms in China zwangsumgesiedelt werden sollen. Manche Familien nun schon zum zweiten Mal. Die neue Massenumsiedlung sei notwendig, um die Umwelt in dem Gebiet um das Wasserreservoir zu schützen. Die Menschen aus nordöstlichen und südwestlichen Regionen von Chongqing entlang des 600 km langen Stausees sollen dazu ermutigt werden, in Vororte der Metropole umzuziehen.
Zur Erinnerung: Der Damm geht auf den früheren Ministerpräsidenten Li Peng zurück, der in den 1950er Jahren in Moskau den Bau von Wasserkraftwerken studiert und das Projekt später trotz massiver Widerstände durchgesetzt hat.
Als Alternative zu derartigen Kollosalprojekten wurde und wird der Bau vieler kleiner dezentraler Wasserkraftwerke empfohlen. Als Modell hierfür gilt beispielsweise das höchstgelegene Kraftwerk der Welt im Nepalesischen Tharmo (3.800 m), das 1995 in Betrieb ging, 6,5 Mio. $ gekostet hat und rund 500 Haushalte in acht Dörfern mit Strom versorgt.
Doch auch in Anatolien entstanden im Rahmen des Güneydogu Anadolu Projesi (GAP, Großes Südanatolien-Projekt) in den vergangenen Jahren mehrere riesige Staudämme, die neben ihren ökologischen Auswirkungen auch eine politische Dimension haben unter dem Motto ‚Wasser als Waffe’ – denn sie sperren den Anrainerstaaten Syrien und Irak möglicherweise das lebenswichtige Flußwasser des Euphrat und Tigris. Der Gesamtplan umfaßt den Bau von 21 Staudämmen und 17 Wasserkraftwerken bis 2001, die Kosten sollen 18 Milliarden Dollar betragen haben.
Nach dem Bau der Staudämme Keban und Karakaya am Euphrat, sowie Menzelet, Altinkava, Kralkizi und Batman am Tigris begann 1981 der Bau des fast 2 km langen und 166 m hohen Atatürk-Staudammes mit 2.400 MW Leistung am Euphrat. Dessen Reservoir ist mit seinem Fassungsvermögen von 48,7 Kubikkilometern Wasser anderthalb mal so groß wie der Bodensee. Im Januar 1990 wurde der Euphrat für einen Monat fast völlig gestaut, damit sich das Becken des Stausees füllen konnte. Etwa 55.000 Menschen, hauptsächlich Kurden, verloren im Zuge der Baumaßnahme ihre Heimat. Durch die erwartete Verdunstungsrate von 150 Kubikmeter Wasser pro Sekunde wurde auch eine dramatische Veränderung des lokalen Klimas erwartet.
In Planung befanden sich 1991 noch der Staudamm Birecik am Euphrat, sowie der Cizre-Staudamm am Tigris, beide unmittelbar nördlich der Türkisch-Syrischen Grenze.
In Indien wird seit 1961 an einem Komplex von rund 30 Dämmen, 135 mittleren und 3.000 kleineren Wehren zur Bewässerung von Dürregebieten und zur Erzeugung von 1.450 MW Elektrizität gearbeitet. Doch schon vor Ende des Jahrtausends wurde starker Widerstand gegen die Fortführung dieser Projekte laut, u.a. durch die deutsche Umweltgruppe ‚Urgewald’ und durch die international bekannte Autorin Arundhati Roy: „Großdämme sind Massenvernichtungswaffen!“.
Brasilien, in dem bereits 1883 ein erstes, kleines Wasserkraftwerk zum Betrieb von Pumpen in Diamantenminen installiert wurde, setzt in seiner Energiepolitik fast ausschließlich auf die Wasserkraft: 1991 gibt es dort über 650 Stauwehre, von denen etwa 250 der Stromversorgung dienen – und deren erstes 1912 in Pedra errichtet wurde. Zwischen 1975 und 1982 wird am Rio Paranà, einem Grenzfluß von Brasilien und Paraguay der bislang weltgrößte hydroelektrische Anlagenkomplex ‚Itaipu Binacional’ errichtet, die 7.760 m lange Dammkrone ist teilweise 196 m hoch.
Bis 2004 beträgt die Nennleistung der 18 Turbinen 12.600 MW, doch Anfang 2004 werden zwei weitere Turbinen installiert, wodurch sich die Gesamtkapazität ab Ende Oktober 2005 auf 14.000 MW erhöht. Die beiden Turbinen dienen in erster Linie dazu, die Menge der erzeugten Energie konstant zu halten, solange andere Turbinen für Wartungsarbeiten abgeschaltet werden.
Und während mehrere weitere Dämme geplant werden kritisiert das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) die Staudammpolitik im Amazonasgebiet auf das heftigste. Die Weltorganisation geißelt namentlich die großräumige Überflutung von Tropenwäldern und den Einsatz gefährlicher Entlaubungsmittel, um die Biomasse der zu ersäufenden Wälder zu reduzieren.
Und noch weitere Pläne gibt es auf dieser Erde: Amerikaner, Kanadier und Russen wollen gemeinsam die zur Arktis fließenden Ströme Yukon, MacKenzie, Ob und Lena mit titanischen Staumauern bestücken. Es ist allerdings fraglich, ob davon etwas verwirklicht werden wird.
Wesentlich realer sind dagegen die Pläne der Portugiesischen Regierung, die im Oktober 2007 bekannt gegeben werden, und denen zufolge zehn neue Staudämme für die Stromerzeugung gebaut werden sollen, die zusammen eine Staukapazität von 1.267 Kubikkilometern und eine Leistung von 1.096 MW haben werden.
Währenddessen warnen Ingenieure der US-Armee davor, daß Iraks größter Staudamm jederzeit brechen könnte und malen das Ergebnis in apokalyptischen Farben aus: „Mehr als 500.000 Menschen könnten sterben, Mossul und Teile Bagdads würden unter 20 m bzw. 5 m hohen Flutwellen verschwinden.“ Die Risikoeinschätzung ist bereits im September 2006 erstellt worden.
Inzwischen wurde der 14. März eines jeden Jahres zum internationalen Aktionstag gegen Staudämme ausgerufen.
Als nächstes wende ich mich nun einer Sonderform von Staudämmen zu – dem Pumpspeicherkraftwerk.
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