Laufwasserkraftwerk
Laufwasserkraftwerk
Es scheint die Grand Rapids Electric Light and Power Co. in den USA gewesen zu sein, die 22.03.1880 das erste ‚hydroelektrische’ Kraftwerk installierte. Die Anlage wurde in der Fabrik der Wolverine Chair Company errichtet und versorgte ein Theater und die Schaufenster von Geschäften mit elektrischem Licht. Die erste ‚kommerzielle’ Anlage als Laufwasserkraftwerk wurde zweieinhalb Jahre danach, am 30.09.1882 in Appleton, Wisconsin, am Fox River installiert. Die später Appleton Edison Light Company genannte Anlage war von dem Papierfabrikanten H. F. Rogers in Auftrag gegeben worden, der sich von Thomas Edison hatte inspirieren lassen. Die Anlage war mit eine 107 cm durchmessenden Wasserturbine ausgerüstet und lieferte 25 kW. Ab diesem Zeitpunkt begann man überall auf der Welt mit dem Bau von Wasserkraftwerken.
Ein klares Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen hydroelektrischen Anlagen ist, daß bei Fluß- oder Laufwasserkraftwerken höchstens Wehre, nicht jedoch Dämme errichtet werden. Man bemüht sich hier, das freie Fließen des Flusses möglichst wenig einzuschränken.
Besonders ‚Unterwasserkraftwerke’ mit KaplanRohrturbinen mit einem Mindestmaß an Material, Bauzeit und Kosten ein Höchstmaß an Nutzwirkung erzielen. Das erste dieser besonderen Laufwasserkraftwerke wurde 1936 an der Persante in Pommern gebaut, ein erst in jüngerer Zeit gebautes Kraftwerk an der Iller (oder richtig ‚in’ der Iller) leistet 25 · 10 hoch 6 kWh im Jahr.
Die stark gefallenen Kosten für Wasserturbinen und Generatoren lassen inzwischen wieder den ehemals vorhandenen und dann durch die billigen Kohle- und Ölpreise aufgegebenen Einsatz von ‚Mini-Stationen’ an kleineren Flüssen und größeren Bächen sinnvoll erscheinen – hier liegt sogar im mitteleuropäischen Raum ein recht großes Potential brach.
Um 1900 waren in Deutschland noch etwa 70.000 vorwiegend kleine Wasserkraftwerke in Betrieb – heute, rund 100 Jahre später, existieren höchstens noch 10 % davon. Bei einer Erhebung in Bayern im Jahr 1983 wurden exakt 4.054 Kleinanlagen unter 1 MW gezählt. Und als 1987 die Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe damit begann, ein Kataster anzulegen, um die vorhandenen Laufkraftwerke zu erfassen, stellte sie fest, daß in ihrem Bezirk noch 850 alte Wasserkraftanlagen mit einem nutzbaren Energiepotential von rund 100 MW existieren, während die Fließgewässer des Gebiets eine kinetische Energie von etwa 290 MW aufbringen könnten.
Aus ökologischer Sicht werden Laufkraftwerke dann bedenklich, wenn mit ihrer Installation auch der Bau von Staustufen einhergeht, durch die ein Verlust des Fließcharakters resultiert, mit allen seinen (zumeist negativen) Folgen für Gewässergüte, Fischfauna und Flußauen. Dafür haben sie aber sehr lange Nutzungszeiten zwischen 40 und 80 Jahren!
Unter dem Namen Small Hydro erfuhr diese Technologie inzwischen besonders in Kanada einen enormen Auftrieb. Man kann per Katalog eine ganze Bandbreite an entsprechenden Anlagen bestellen, deren Montage und Installation im do-it-yourself Verfahren erfolgt.
Bereits 1998 gründete sich auf Initiative der Europäischen Kommission die ESHA (European Small Hydropower Association), eine non-profit Vereinigung, die seit 2000 ebenso wie die anderen Mitglieder des EREC (European Renewable Energy Council) ihren Sitz in Brüssel hat. Die Ziele dieser Vereinigung sind die Schaffung einer Plattform auf europäischer Ebene, die Förderung des Informations- und Technologieaustausches sowie die Durchführung von Analysen und Studien zu juristischen, technischen und wirtschaftlichen Faktoren die mit dem Bereich ‚small hydropower’zu tun haben.
Für die Dritte Welt ist jedoch sogar diese relativ kleine Anlagengröße oftmals noch zu groß. Aus diesem Grund wurde eine weitere Unterteilung in Micro Hydro (bis 100 kW) und Pico Hydro (bis 5 kW) vorgenommen. Dabei werden diese Anlagen zwei verschiedenen Segmenten zugeordnet – entweder den Batterie-basierenden Systemen oder den direkt angeschlossenen Gleichstromsystemen.
Da es sich bei der Wasserenergie um die weltweit größte und saubere Quelle erneuerbarer Energie handelt – und da es im Sinne einer weltweiten dezentralen Nutzung der Wasserenergie in erster Linie um besonders kleine Wasserkraftwerke geht, werde ich die aktuelle Entwicklung in diesem Bereich hier noch etwas näher beleuchten.
Um so unverständlicher ist es, daß man Informationen über von Wasserkraft betriebene Kleinstanlagen erst mit großem Aufwand suchen muß, denn diese Technologie wird auf internationaler Ebene so gut wie nicht kommuniziert.
Trotzdem gibt weltweit bereits eine große Anzahl von Micro Hydro-Systemen mit ihren Leistungen bis zu 100 kW. Eingesetzt werden primär kleine Pelton-Turbinen, die inzwischen auch in Schwellenländern selbst hergestellt werden – wie beispielsweise seit 2003 von dem türkischen Unternehmen Electromechanics Industry (TEMSAN), wo man von ‚Mikro Türbinler’ spricht. Die hier gefertigten Turbinen reichen im Durchschnitt aus um zwei Haushalte zu versorgen – und amortisieren tun sich die Anlagen in zwei Jahren. Bis Ende 2007 hatte das Unternehmen bereits acht erfolgreiche Umsetzungen vorzuweisen
(Temsan)
Schon 1975 gab es in der VR China zum Beispiel rund 60.000 solcher Kleinanlagen, die zwischen 0,6 und etwa 100 kW leisten. Man schätzte damals, daß rund 70 % aller chinesischen Kommunen ihre Elektrizität mittels kleiner Wasserkraftanlagen produzieren. Zumeist handelte es sich um Anlagen mit hölzernen Schaufelrädern von Durchmessern bis zu 5 m und einer Generatorleistung von ca. 5 kW.
Dies ist insbesondere für Afrika interessant, wo es zwar viele Flüsse, aber noch viel zu wenig Energieerzeugung gibt, denn die von den Chinesen beherrschte Technologie winziger und billiger Mikro-Hydro-Dämme ermöglicht es, aus kaum mehr als ein paar Wassertropfen schon kleinste Mengen an Elektrizität herstellen zu können. In Ländern wie Zimbabwe, Kenia, Uganda und Südafrika haben bereits diverse Kleinanlagen ihren Betrieb aufgenommen.
Noch viel mehr Pico Hydro Anlagen gibt es dafür in Vietnam. Hier rechnet man inzwischen mit über 100.000 Stück, die sich landesweit im Einsatz befinden, wobei ein Generator mit einer Leistung von 300 W nicht mehr als 20 $ kostet und den Stromverbrauch einer ganzen Familie decken kann. Da diese Leistung auch über 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag geliefert wird, erübrigt sich eine teure Batteriespeicherung. Selbst das komplette System inklusive aller Rohre, Kabel, Montagekosten usw. kostet selten mehr als 200 oder 300 $ und ist damit auch für ein großes Segment der Bevölkerung erschwinglich. Die in Vietnam hergestellten Turbinen und Generatoren werden vom Center for Sustainable Energy Development (VSED) inzwischen auch im Internet angeboten, es gibt sie als 200, 500 und 1.000 Watt Generatoren, je nach Netz entweder in der 110 oder der 220 Volt Ausführung.
(Vietnam)
Besonders für Haushalte mit geringem Einkommen in Equador wurde mit Unterstützung der Weltbank eine Pico Hydro Technik entwickelt, die sich leicht auch auf andere Entwicklungsländer übertragen ließe. Dabei handelt es sich um kleine, im Grunde fast tragbare Mini-Wasserkraftwerke, deren Ausbeute aber trotzdem den Großteil des Bedarfs eines Einzelhaushalts decken kann.
Doch selbst in den (hochentwickelten) Vereinigten Staaten werden zwischen 1978 und 1988 etwa 50.000 neue dezentrale Kleinkraftwerke installiert – dieser Zuwachs kam allerdings durch produzentenfreundliche Einspeisegebühren zustande, wie sie in Deutschland damals noch nicht einmal angedacht waren. Die Gesamtausbeute dieser neuen US-Anlagen wurde Ende der 1980er Jahre mit rund 850 MW angegeben.
Als einfachste Form überhaupt gilt die sogenannte Harris-Turbine, bei der ein Peltonrad gleichzeitig von mehreren Düsen beaufschlagt wird. Hierbei wird keine spezielle und teure Peripherie benutzt, sondern ganz einfache Wasserrohre. Als Generatoren werden umgebaute Lichtmaschinen aus Kraftfahrzeugen eingesetzt, da deren Verbrauchsmaterialien wie Kohlebürsten z.B. sehr günstig und auch überall erhältlich sind. Typische Einsatzgrößen für diese Turbinen liegen zwischen 1 kWh und 30 kWh pro Tag.
Für Gebiete mit geringerer Fallhöhe eignen sich dagegen mehr die Banki-Turbinen (Durchströmturbinen), die zwar weniger effizient sind, sich jedoch durch einfachere Strukturen und auch wesentlich günstigere Herstellungskosten auszeichnen.
Als Beispiele der diversen individuellen Initiativen, die es inzwischen auf diesem Sektor gibt, möchte ich hier einmal die Erfindung der beiden britischen Pensionäre Ian Gilmartin und Bob Cattley erwähnen, bei der es sich um eine modernisierte – und im Grunde umgedrehte – Form der Noria von Philon handelt (s.o.). Bei dem 2 kW System, an dem die beiden seit 2004 arbeiten, wird eine Reihe von Trögen eingesetzt, die an einer Kette in Umlauf sind. Doch anstatt wie bei der Noria das Wasser hinauf zu fördern wird hier das Gewicht des Wassers dazu genutzt, einen kleinen Generator anzutreiben. Die Abbildung zeigt eine Zeichnung aus dem Patent der beiden (WO 2006082403).
Gilmartin und Cattley aber inzwischen vom Lake District National Park eine Förderung im Umfang von 15.000 englischen Pfund bekommen, um in der Nähe von Windermere einen funktionierenden Prototypen zu errichten. Sie hoffen, ihre Anlagen, die schon einen Höhenunterschied von nur 20 cm effektiv ausnutzen können, bereits Ende 2007 in den Verkauf gehen zu können, und wollen einen Komplett-Set für ungefähr 2.000 englischen Pfund anbieten.
Ein weiteres System, das keinesfalls unerwähnt bleiben darf, ist das bereits 1990 patentierte Compression Tube System von Joe Holden, dem Erfinder der Nachbrenner für RollsRoyce-Turbinen und ehemaliger Testpilot der Concorde. Diese Innovation zeichnet sich insbesondere dadurch aus, daß hier zwei verschiedene Turbinenprinzipien miteinander kombiniert werden. Außerdem läßt sich das System ohne Umbauten auch zur Erzeugung von Luftdruck nutzen.
Ebenfalls recht interessant ist das 2006 patentierte ‚Optimset Turbo’ System (WO 108264), bei dem es sich um einen in Toronto entwickelten schwimmenden Laufwasser-Generator mit senkrechter Achse handelt, der sich in einer Ummantelung befindet, vor der ein trichterförmiger Zufluß angebracht ist. Das System ähnelt damit den frühen Windmühlen im Orient bzw. späteren Umsetzungen der Windenergienutzung, die ich an entsprechender Stelle noch ausführlich darstellen werde.
Die vielleicht kleinste jemals gebaute hydroenergetische Anlage wird 2007 vorgestellt: Die computergesteuerten Toiletten des japanischen Herstellers TOTO Ltd. aus Fukuoka können seit neuestem für ihre eigene Stromversorgung sorgen, denn jedes mal, wenn die Spülung läuft, wird die Energie des ablaufenden Wassers genutzt um einen Akkumulator aufzuladen.
Auf der japanischen Leitmesse für erneuerbare Energien im Oktober 2007 wird allerdings auch eine Mikro-Wasserkraftanlage der Firma Tepsco gezeigt, mit der man Strom aus dem Wasser in Abflussrohren gewinnen kann. Das Unternehmen verspricht, bei einer Fließgeschwindigkeit von 0,05 bis 0,2 m/s zwischen 10 und 30 kW Leistung erzeugen zu können.
Eine sehr interessantes schwimmendes Flußkraftwerk wurde 1978 von dem Hamburger Jens Hoppe entwickelt. Die ‚P.E.A.C.E Schraube’ (Provide Energy As Clean Energy) besteht aus einem hohlen Kegel mit 2 bis 5 Flügeln. Die Anlage ist so austariert und montiert, daß sie im Flußwasser schweben kann. Mehrere Schrauben können hintereinander geschaltet werden, bei richtigem Abstand der Schrauben und abnehmendem Durchmesser ergibt sich eine Energiekaskade. Die Kegel selbst können geflutet und verschlossen werden, was dazu dient, ihnen das spezifische Gewicht des Wassers zu geben. Eine Einzelschraube mit einem Schraubendurchmesser von 1 m erzielt bei einer Strömungsgeschwindigkeit von 1 m/s eine Leistung von 1 kW. Ein Prototyp mit den Maßen 8 m Länge und 4 m Breite entstand 1997/1998 auf der Binger Schiffswerft und wurde auch eine Zeitlang bei Bingen im Rhein getestet.
Die langgestreckte Schraubung erinnert ein wenig an das schwimmende Kleinkraftwerk eines Farmers in Arizona, das es 1932 sogar in die Presse schaffte. Unter dem Ponton-Floß sind vier spiralförmige Rotoren mit einem Durchnesser von jeweils knapp 30 cm angebracht, von denen sich zwei links- und zwei rechtsherum drehen – vermutlich aus Gründen der Stabilität. Jede Achse ist mit einem 32 V Generator verbunden, was genügend Strom für die gesamte Ranch liefert.
Ein weiteres ähnliches Modell bildet die sogenannte Tyson-Turbine, bei der es sich ebenfalls um einen konischen Rotor handelt, der unterhalb einer schwimmenden Konstruktion angebracht ist. Das aus den USA bekannte Modell leistet 3 kW.
Jens Hoppe ist Ende 2005 verstorben, nachdem das Patent wegen Nichtzahlung des Jahresbeitrages schon 2001 erloschen ist. Burkhard Schmidt in Falkensee will diese Schraube in seiner Firma Hydropower-BB noch einmal nachbauen (Stand Mitte 2007).
Eine weitere neue Methode, die Fließgeschwindigkeit des Flusses energetisch zu nutzen, hat der deutsche Ingenieur Lutz Kroeber entwickelt. Sein Transverpello besteht lediglich aus einem Flügelelement, das wie eine Fahne am Mast an einer vertikalen Achse im Wasser hängt und sich mit der Strömung hin und her bewegt. Diese Pendelbewegung wird am freien Ende des Flügels abgenommen. Eine Pleuelstange überträgt die Kraft der Pendelbewegung über eine drehende Schwungmasse auf den Generator an Land. Jedes mal dann, wenn der Flügel seine äußerste seitliche Auslenkung erreicht hat, kehrt sich die Flügelwölbung durch die Kraft der Strömung um.
wirbelkraftwerk
Das Wasser eines 2 m tiefen Flachlandflusses erzeugt an einem zwanzig Meter langen Flügel eine enorme Zugkraft. Sie entspricht ca. 10 t und wächst mit wachsender Flügellänge. Wird nun in einem gemächlich fließenden Flachlandfluß nur ein relativ kleiner Fleck Sohle von beispielsweise 50 x 15 m betoniert, so fließt über dieser Platte das Wasser doppelt so schnell. Die erhöhte Fließgeschwindigkeit bringt an dieser Stelle die mehrfache Energie, sie liegt zwischen dem Vier- und dem Achtfachen.
Abschließen möchte ich das Thema Laufwasserkraftwerke mit dem Hinweis auf das wahrlich geniale Gravitationswasserwirbelkraftwerk von Franz Zotlöterer.
Die Technik der Nutzung von Temperaturdifferenzen zwischen verschiedenen Flüssen zur Energieerzeugung behandle ich übrigens im Rahmen der Meereskraftwerke unter dem Begriff Temperaturgradient.
Wasserfall und Laufwasserkraftwerk
Eine Ausnutzung natürlicher Wasserfälle, d.h. ohne den Bau von Staumauern, findet meines Wissens nirgendwo statt statt. Ein Beispiel hierfür sind die Niagara-Fälle. Nur 25 – 50 % des Wassers stürzt touristenanziehend in die Tiefe, während die Kraft der größeren Menge gemeinsam von den USA und Kanada genutzt wird. In Stichworten:
- Fallhöhe 52 m (kanadischer Teil)
- Durchschnittliche Wassermenge 4.200 m³/s
- Maximale Energieleistung 4,4 GW
- Kanadischer Teil 2,4 GW
- Erstes Kraftwerk 1895/96 mit 75 MW
Und um die Dimension der Wasserkraft etwas griffiger darzustellen sei erwähnt, daß schon ein bescheidener Bach bei einer Falltiefe von wenigen Metern eine Leistung 20 kW erbringt. Ein kleines Wasserwirbel-Kraftwerk – wie oben erwähnt -, ermöglicht sogar schon bei Falltiefen um nur einem Meter eine Leistung von rund 8 kW!
Zu den überhaupt größten Kraftwerken der Welt gehören daher auch die Staudämme, mit denen wir uns als nächstes beschäftigen werden.