Geschichtlicher Rückblick Windenergie und Windkraft

Geschichtlicher Rückblick über die Windenergie Nutzung

Wer die Windenergie als ‚neue Alternative’ betrachtet sollte den nächsten Absatz sehr aufmerksam lesen. Denn er zeigt eindrucksvoll wie alt diese Technologie in Wahrheit ist, auch wenn sie in unserer ‚modernen Zeit’ natürlich beachtliche Fortschritte gemacht hat, zumeist jedoch in quantitativer Hinsicht.

Denn nicht alles, was uns als neu verkauft werden soll, ist es auch tatsächlich – während manche tatsächliche Neuheit als solche gar nicht erkannt wird, wie ich am Beispiel der Innovation eines geschlitzten Rotorblattes nachweisen werde. Dieses Rotorblatt, dessen Patent ich mehrere Jahre gehalten und dessen Weiterentwicklung ich weitestgehend selbst finanziert habe, bildet wohl eine der wenigen zeitgenössischen Erfindungen in dem Bereich der Aerodynamik, die sowohl zur Nutzung der Windenergie als auch in Bereichen wie dem Propeller- oder Turbinenbau gedacht ist.

Funktionsprinzip der persischen Windmühle Grafik

Funktionsprinzip der
persischen Windmühle

Doch werfen wir zuerst einmal ein Blick zurück in die Vergangenheit. Die Idee der technischen Windnutzung scheint vor über 2.500 Jahren in Persien aufgekommen zu sein, von der Goldenen Horde wurde sie nach China gebracht, von den Arabern und später auch von Kreuzfahrern nach Europa.

Der mesopotamische Herrscher und Gesetzgeber Hammurabi soll schon 1700 v.Chr. Windmühlen zur Bewässerung eingesetzt haben. Gesichert sind dem Darrieus-Rotor ähnelnde Senkrechtachser in der persischen Provinz Seistan ab dem 8. Jahrhundert n.Chr. Sie waren unter dem Namen Panémónes bekannt und wurden zum Kornmahlen und zur Bewässerung eingesetzt.

An der vertikalen Drehachse waren geflochtene Matten befestigt, die dem Wind einen Luftwiderstand entgegensetzten und daher vom Wind ‚mitgenommen’ wurden. Bei den persischen Windrädern wurde durch die Abschattung der einen Rotorhälfte mit einer Mauer eine Asymmetrie erzeugt, welche die Widerstandskraft zum Antrieb des Rotors nutzbar macht.

Noch heute gibt es in der Provinz Karasan im Nordosten Persiens regelrechte ‚Batterien’ derartiger Windmühlen, die pro Tag rund 3.000 kg Weizen mahlen können. In den weiten trockenen Ebenen weht der Wind manchmal monatelang ununterbrochen aus derselben Richtung. Erst dadurch war ein wirtschaftlicher Betrieb möglich.

In vielen alten arabischen Manuskripten findet man Beschreibungen dieser Windmühlen mit senkrechter Achse. Die folgende Abbildung stammt aus dem Werk des Geographen Schamsuddin Mohammed al-Dimaschqi (gest. 1327) und beschreibt die Windmühlen persischen Ursprungs:

„In Sighistan befindet sich eine Gegend, in der die Winde häufig sind. Ihre Einwohner benützen die Winde zum Drehen der Mühlen (…). Sie bauen [ein Gebäude] in die Höhe wie ein Minarett, oder sie nehmen einen hohen Berggipfel oder einen entsprechenden Hügel oder einen Turm der Burgen. Auf diesen errichten sie einen Raum über einem anderen. In dem oberen befindet sich die Mühle, die sich dreht und mahlt, in dem unteren befindet sich ein Rad, welches der dienstbar gemachte Wind dreht. Was für ein Wind auch wehen mag, so drehen sich jene Mühlen, trotzdem nur ein einziger [Mühl]stein vorhanden ist, und das Bild ist so, wie du es siehst…“

Zeichnung von al-Dimaschqi

Zeichnung
von al-Dimaschqi

Bei den ebenfalls sehr alten chinesischen Windrädern wurde solche Asymmetrie durch Wegklappen der Segelmatten auf ihrem ‚Rückweg’ (dem Wind entgegen) erzeugt. Im Gegensatz zu der persischen Variante hatten sie dadurch den für Windräder mit vertikaler Achse eigentlich typischen Vorteil, daß sie den Wind unabhängig von seiner Richtung nutzen konnten.

Die erste Windmühle mit horizontaler Achse, die zur Bewässerung eingesetzt wurde, soll im Jahre 950 ebenfalls in der chinesischen Provinz Seistan gestanden haben.

Es gibt allerdings Quellen, die von einer Windnutzung im alten Ägypten und in China schon 3.000 Jahre vor Chr. (!) sprechen, wobei neben Segelschiffen – wie auf einem Fries im Tempel von Edfu gut zu sehen ist – auch Windflügel zur Unterstützung von Tieren genutzt wurden, die beim Wasserpumpen und Kornmahlen eingesetzt wurden. Nachgewiesen sind windgetriebene Gebetsmühlen in Zentralasien ab etwa 400 n.Chr., ebenfalls archäologisch bestätigt sind gewobene Segel bei den Sumerern um 3.500 v.Chr.

Im Jahr 1105 wird die Windenergie in einer päpstlichen Bulle erwähnt. Der Abtei von Savigny wird darin erlaubt, in den französischen Diözesen Bayeaux, Countance und Evreux Windmühlen zu bauen. Da der Wind ‚von Gott kommt’ erforderte es die Genehmigung der Kirche, wenn man eine Windmühle errichten wollte.

Chinesische Windmühle Grafik

Chinesische Windmühle

Im 12. Jahrhundert erscheint die horizontale Achslegung des Windrotors gleichzeitig in England und Frankreich, seit dem 13. Jahrhundert gibt es überall in Europa auf einem Bock sich drehende Windmühlen mit horizontaler Rotorachse. Diese Erfindung geht auf den ‚Techniker-Orden’ der Zisterzienser zurück und begleitet dann im 17. Jahrhundert die Siedler nach Amerika.

1340 soll in Holland erstmals eine Windmühle eingesetzt worden sein, um Wasser zu pumpen. Und um 1400 gab es in England bereits über 10.000 Mühlen, die meisten davon im Süden und Osten des Landes. Im Jahr 1592 errichtete Cornelis Cornelisz in Holland die erste windbetriebene Sägemühle, sie war drehbar gelagert und konnte leicht dem Wind nachgeführt werden.

Windwagen Grafik von 1335

Windwagen

In einer Handschrift des Italieners Guido von Vigevano von 1335, Texaurus regis francie, ist die Konstruktion eines Windwagens zu sehen, der möglicherweise zu militärischen Zwecken eingesetzt werden sollte. Den Rotor selbst kann man oben rechts erkennen. Der Konstrukteur war technisch versierter Hofarzt des französischen Königs Philipp VI., der zu diesem Zeitpunkt gerade einen neuen Kreuzzug vorbereitete.

Spätere Bauformen mit vertikaler Achse entstanden in Italien etwa 1600 (mit Widerstandskörpern) und 1719 in Frankreich (mit waagrecht umklappenden Flügeln).

In dieser Zeit haben sich die verschiedensten Menschen mit der Nutzung des Windes beschäftigt. 1612 schreibt Henricius Zeisig aus Leipzig in seinem ‚Theatri machinarium’:

Eine schöne Machina /
an welcher Flügel mit  auszgespanneter Leinwad vberzogen /
vnter einem Gewelb eines Thurms vom Wind vmbgetrieben werden /
von welcher seiten er auch kömmet /
und das Wasser dadurch vnglaublich höhe kann erhaben werden /
wie im Kupffer Num. 9 zusehen

Mit dem ‚Kupffer Num. 9’ meint Zeisig seinen – hier nachkolorierten – Kupferstich eines Senkrechtachsers, der im Grunde schon dem Savonius-Rotor entspricht, der allerdings erst 1924 ‚erfunden’ wurde…

Als Beispiel für eine praktische Umsetzung möchte ich Gottfried Wilhelm Leibniz nennen, einen der letzten Universalgelehrten, der seinen Vorschlag zur Entwässerung der Harzer Bergwerke mittels Windkraft 1679 verwirklicht hat. Ein Vertrag zwischen ihm, dem Bergamt und dem Herzog, durch den Leibniz mit Gewinn und Verlust an dem Unternehmen beteiligt wurde, erlaubte es ihm seine technischen Neuerungen in der Praxis zu erproben… mit großem Erfolg, wie die Chronisten berichteten.

Italienische Windmühle Grafik

Italienische Windmühle

Eine Windmühlenart, die im 18. Jahrhundert in Polen und möglicherweise auch in Portugal verwendet wurde, hatte sechs Leitflügel und vier Windflügel, die an einer senkrechten Achse angebracht waren. Eine bewegliche Verkleidung wurde auf einem Teil des Mühlenumfangs angebracht und war verschiebbar, um den Wind auf die Windmühlenflügel günstig zu richten.

Mühlen haben schon immer fasziniert. Die von Wind bewegten Flügel oder vom Wasser getriebenen Schaufelräder, die über Zahnkränze und Treibriemen riesige Mühlsteine in Gang setzten und in Bewegung hielten, waren die ersten richtigen Maschinen, der Ursprung einer erst viel später beginnenden Industriegesellschaft. Sie waren Inkarnation einer neuen Technik, so sehr, daß der Begriff ‚Mühle’ auf Maschinerien ausgedehnt wurde, die mit der Bereitung von Getreide zu Mehlprodukten überhaupt nichts mehr zu tun hatten. Mühlen wurden so sehr zum Inbegriff für die mechanische Verrichtung von Arbeiten, daß die Engländer noch im 19. Jahrhundert die Fabrik ‚mill’ nannten.

Das Neue war: Wie von Geisterhand gerieten Teile in Bewegung, es wirkten geheimnisvolle, sinnvolle Kräfte, die ohne menschliches Zutun Arbeit verrichteten. Ein totaler Gegensatz zu der Ackerei auf den Feldern, der Holzgewinnung in den Wäldern, zu aller schweren körperlichen Arbeit. Der Müller konnte sich, so hatte es den Anschein, zurücklehnen und Däumchen drehen oder seiner Lust frönen. Man meint: So leicht hatten es die Müller! Sie standen im Bund mit freundlichen, hilfsbereiten Geistern. Diese mehrten ihren Reichtum. Mit einem Fuß im Paradies läßt es sich gut leben.

Europäische Bockwindmühle

Europäische Bockwindmühle

Das spiegelt sich jedoch ganz anders wider im Volksglauben. Das Unerklärliche, nämlich wie man ohne aufwendiges eigenes Tun die Arbeit gemacht bekam, den Anschein mußte es aus damaliger Sicht haben, war sehr suspekt. Man glaubte an Wunder, wünschte sich ein Tischlein-deck-dich und so etwas ähnliches war die Mühle. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen und war nur mit Hilfe des Teufels oder anderer finsterer Gesellen zu erklären, die auch nicht viel besser waren. Deshalb findet man in Sagen den Müller häufig in einem Pakt mit dem Teufel, den er vielleicht listigerweise über das Ohr haut.

Doch zurück zur Technik: In den USA produzierte als erster Daniel Hallady Windmühlen, die auf dem europäischen Modell beruhten. Sie hatten jedoch Holzflügel statt der bis dahin häufig üblichen Stoffbespannung.

Ein anderer und wohl einzigartiger Mühlentyp steht in Saalow bei Berlin. Konstruiert wurde die Scheunenwindmühle 1864 von einem Kleinbauern namens Johann Traugott Leberecht Schubert – und sie blieb dank dessen handwerklichen und gestalterischen Begabung bis 1914 in Betrieb. Ursprünglich in Podemus nahe Dresden erbaut wurde diese Scheunenwindmühle mit einem weitgehend konservierten technischen Innenleben 1993 in Saalow so authentisch wie möglich wieder aufgebaut.

Scheunenwindmühle

Scheunenwindmühle

In den späten 1870er Jahren entwirft Stuart Perry in den USA die bis heute weltweit in landwirtschaftlichen Gegenden genutzte ‚Ventilatormühle’, die anfangs zumeist als Antrieb von Entwässerungspumpen eingesetzt wurde. Die Windräder hatten Durchmesser zwischen einem und drei Metern und bestanden aus 100 – 150 schmalen Windflügeln. Diese Technologie wurde in den 1890ern in Deutschland weiterentwickelt, es entstanden Windräder bis zu 10 m Durchmesser. Da sie jedoch den alten Windmühlen nachempfunden waren, mußten die Betreiber sie ständig selbst in den Wind drehen. Eingesetzt wurden die Mühlen zum Korndreschen, als Grützen- und Walzenmühlen, als Kreissägen, Mahl- und Hackmaschinen. Und natürlich immer wieder zum Pumpen, Bewässern und für die Drainage.

Auf der Weltausstellung 1876 in Philadelphia stellt der Amerikaner Halladay ein nach ihm benanntes System vor. Dieses Windrad reguliert sich selbst nach Windstärke und Windrichtung. Das Rad ist in Segmente unterteilt, die nach hinten klappen können: die wirksame Flügelfläche wird dadurch kleiner. An den Segmenten sind Gewichte befestigt, die sich mit dem Rad drehen. Bei stärker werdendem Wind leitet ihre Fliehkraftwirkung die Klappbewegung ein. Die vielen beweglichen Teile der Konstruktion erfordern jedoch eine regelmäßige Wartung. Trotz einer Neigung zu Betriebsstörungen verbreitet sich das Halladay-System weiter als das weniger störanfällige Eklipse-System.

Das ebenfalls in Amerika entwickelte Eklipsesystem regelt die Stellung des Rades zum Wind, verhindert zu hohe Drehzahlen und bewahrt das Rad dadurch vor Zerstörung. Bei normaler Windstärke hält die Hauptfahne das Rad voll im Wind. Wird der jedoch Wind zu stark, überwindet die Seitenfahne die Kraft der Zugfeder und dreht das Rad aus dem Wind. Dadurch nimmt der Luftwiderstand ab, und trotz des stärkeren Windes läuft das Rad nicht schneller. Bei Sturm stellt die Seitenfahne das Rad parallel zur Hauptfahne, womit das Rad dem Wind nur noch seine geringste Angriffsfläche bietet. Zum Abstellen bringt man das Rad mit Hilfe einer Seilwinde in dieselbe Stellung wie bei Sturm.

Mit Beginn der 1880er Jahre erschien auf dem US-amerikanischen Markt eine große Neuigkeit: Windmühlen, die mit Elektrizitätsgeneratoren ausgerüstet waren, und die über zwischengeschaltete Pufferbatterien Strom für Beleuchtungszwecke lieferten. Um die Jahrhundertwende bauten auch dänische Pioniere Windräder zur Gleichstromerzeugung, jedoch gewann man erst in den 1920er Jahren ein Verständnis der Rotorblatt-Aerodynamik, als u.a. der deutsche Wissenschaftler Beetz die aerodynamischen Grundkenntnisse verbesserte.

Auch in Deutschland wurden die neuen Vielblatt-Rotoren zur Stromerzeugung genutzt. Ein Beispiel ist das 2 kW Windrad Herkules der Deutschen Windturbinenwerke Dresden, das 1905 hergestellt und bis 1965 auf einem Einödhof bei Starnberg zur Stromerzeugung genutzt wurde. Das 5 m durchmessende Windrad besitzt 18 Stahlblechflügel von jeweils 2 m Länge, die Turmhöhe bis zur Radmitte beträgt 14 m. Zur Anpassung an hohe Windstärken und zur Verhinderung von Sturmschäden ist das Rad mit dem Eklipse-System ausgerüstet. Zuletzt deckte es jedoch nur noch einen kleinen Teil des steigenden Energiebedarfs und steht heute im Deutschen Museum in München.

Herkules

Um 1900 gab es an der Nordseeküste zwischen Holland und Dänemark noch rund 100.000 (alte) Windmühlen, in Deutschland wurden 1909 insgesamt 13.392 Mühlen gezählt. Heutzutage sind sie nur noch selten anzutreffen. Da ihr Wirkungsgrad bei der Umwandlung mechanischer Energie relativ gering ist, hat man in den 1920er Jahren damit begonnen, die Windenergie über angekoppelte Generatoren in Elektrizität umzuwandeln, womit die Energie speicher- und transportierbar wurde.

In seinem Buch ‚Wenn der Schläfer erwacht’ beschreibt H. G. Wells keine Zeitmaschine, sondern einen Komapatienten, der erst nach 200 Jahren wiedererweckt wird. Dieser wundert sich nicht wenig über die vielen riesigen Windkraftwerke, die überall die Stromversorgung sichern. Wohl gemerkt: Das Buch stammt aus dem Jahr 1899 …!

Der deutsche Physiker Albert Betz wies dann im Jahr 1920 nach, daß die maximale Ausbeute von Windkraftanlagen aus physikalischen Gründen auf 59,3 % (16/27) limitiert ist (Betzsches Gesetz). Es handelt sich trotz aller Physik und Mathematik allerdings um einen Annäherungswert, was bei der Beurteilung neuartiger Windkonverter allerdings häufig vergessen wird..

1927 erhielt der Franzose George Jean Marie Darrieus das Patent für einen Senkrechtachser (Darrieus-Rotor), dessen erstes Modell 1929 mit zwei Flügeln und einer Höhe von 20 m schon 10 kW leistete.

Mit dem, vom Wetter unabhängigen, Gebrauch der Kohle und später der billigen flüssigen Brennstoffe ging die Nutzung der Windenergie jedoch sehr stark zurück, und erst in unserer Zeit (im Grunde seit 1975) wird wieder verstärkt auf diesem Gebiet geforscht und zunehmend auch umgesetzt. In den vorangegangenen 1950er und 1960er Jahren wurden die Erfinder (und Wiederfinder) im Bereich der Windenergie dagegen schlichtweg verlacht.