Ethanol E85
Ethanol (Äthanol)
Ethanol und ausgewählte Länder (II)
Ethanol in der Bundesrepublik Deutschland
Seit 1973 gibt es mehrere vom BMFT geförderten Ethanol-Programme, außerdem laufen Versuche bei fast allen Kfz-Herstellern. Neben der Aktivität der IPAT in Brasilien (s.o.) gibt es auch Forschungsprogramme zugunsten von besonders ergiebigen ‚Spritrüben’. Eine ebenfalls BMFT-unterstützte Studie der Firma Dornier System kommt 1979 zu dem Schluß, daß bis zu 10 % des aktuellen Treibstoffverbrauchs in der Bundesrepublik durch Alkohol aus Agrarprodukten ersetzt werden könnte.
In den 1980er Jahren entstehen verschiedene Demonstrationsvorhaben. Anfang 1983 wird in Bayern eine Pilotanlage für die Ethanolproduktion aus Abfällen der Zuckerindustrie in Betrieb genommen, die eine Jahreskapazität von etwa 2.500 t besitzt. Außerdem fallen bei der Produktion noch große Mengen Biogas an, die im Energieverbund wiederum der Ethanolproduktion dienen. Dieses Projekt der Frankenzucker GmbH in Ochsenfurt wird mit 2,5 Mio. DM gefördert.
Ebenfalls zu dieser Zeit entwickelte die TH Aachen einen Bioreaktor für Ethanol, der mit Käsemolke, Stärkeabfällen und anderen billigen Rohstoffen beschickt werden kann, während die Firma Werner und Pfleiderer im Auftrage des BMFT Verbesserungsmöglichkeiten für die Verwertung von Altpapier zur Ethanolherstellung untersucht.
Im September 1985 nimmt im niedersächsischen Ahausen-Eversen eine ‚Agrar-Alkohol-Versuchsanlage’ mit einer Produktionskapazität von 10.000 t ihren Betrieb auf. Diese Fabrik soll Zuckerrüben, Kartoffeln, Mais und neuartige Rohstoff-Pflanzen wie Zichorien verwerten. Gemeinsam mit der Anlage in Ochsenfurt sollen die beiden Pilotanlagen die Frage klären, ob die Herstellung von Bioalkohol ein wirtschaftlicher Weg ist, die EG-Agrarüberschüsse abzubauen. Das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium stellte Ende 1991 allerdings die Finanzierung der Bioethanol-Produktion in Ahausen ein: „Die Anlage ist unwirtschaftlich, der Zuschussbedarf zu hoch.“ Bund und Länder haben zu diesem Zeitpunkt 70 Mio. DM in die Forschungsanlage investiert.
Es gibt außerdem dahingehende Überlegungen, Ethanol als fünfprozentigen Zusatz zum Benzin aus Rohöl zu vermarkten – im sogenannten ‚Eurosuper’. 1986 fahren bereits zehn Dienstwagen des Bonner Landwirtschaftsministeriums mit dem Eurosuper, ohne daß die Motoren der Fahrzeuge verändert werden mußten. Der Bedarf der 12 EG-Länder wird auf 4,4 Mio. t ‚Zumisch-Ethanol’ geschätzt. In Niedersachsen plant man, 2.000 Polizeifahrzeuge die Mischung erproben zu lassen.
1987 entwickelt Prof. Heinz Brauer an der TU Berlin einen Hochleistungs-Bioreaktor, dessen Problem allerdings ein sehr hoher Wasserverbrauch ist. Die EG entscheidet sich daher gegen die finanzielle Unterstützung einer industriellen Herstellung aus Getreide und Zuckerrüben
Der Preis von 1,30 DM pro Liter im Jahr 1988 ist laut einem im BMFT-Auftrag erstellten Gutachten des Dachverbandes Agrarforschung nicht konkurrenzfähig. Die Auswertung von mehr als 200 Forschungsvorhaben der Jahren von 1976 bis 1987 weist aber nach, daß es bereits eine Vielzahl zuverlässiger und effektiver Verfahren gibt.
Ebenfalls 1988 stellt die Universität Stuttgart-Hohenheim ein neuartiges ‚Dispergier-Maisch-Verfahren mit Schlempe-Recycling’ vor, das für die Ethanolproduktion aus ungemahlenen Mais– oder Weizenkörnern oder ganzen Kartoffeln geeignet ist, und bei dem sich die Abwassermengen um bis zu 70 % und die Energiekosten um rund 75 % beim Mais und sogar um 90 % beim Weizen reduzieren lassen. Die Dispergier-Einrichtung beschleunigt die Körner oder Kartoffeln in sekundenschnelle und bremst sie ebenso schnell wieder ab. Durch die auftretenden hohen Scherkräfte wird eine starke Auflockerung des inneren Gefüges der Agrarprodukte bewirkt – was zu einer fast vollständigen Freisetzung der Stärke führt, die nun leicht enzymatisch verflüssigt werden kann. Nach erfolgreichen Versuchen in zwei Betrieben ist für den Herbst 1988 der Bau einer Pilotanlage im bayerischen Ochsenfurt geplant, die für eine Produktion von 350.000 l Ethanol aus Kartoffeln ausgelegt wird.
Schließlich soll 1988 auch der Startschuß für eine Großanlage im niedersächsischen Groß-Munzel am Stadtrand von Hannover gegeben werden. Im Zuge einer Investition von 34 Mio. DM soll die dortige Anlage jährlich 40.000 t Rübenzucker in 20.000 t Ethanol umwandeln.
Autos, die mit Alkohol (Ethanol) fahren, werden in Deutschland zwar entwickelt– doch nicht für den deutschen Markt, sondern nur für Schweden. Diese ‚FLEX-Autos’ baut Ford in Saarlouis (s.u.).
Bio-Ethanol könnte Ende 2005 zum Preis von zirka 90 Cent je Liter an die Tankstellen kommen, da er (bis 2009) von der Mineralölsteuer befreit ist. Die gegenwärtigen drei neuen und großen Bio-Ethanol-Produktionsanlagen sind in der Lage pro Jahr rund 500.000 t des Kraftstoffs herstellen, doch zu welchem wirklichen Preis will oder kann derzeit offenbar niemand präzise sagen.
Ende 2005 wird der Saab ‚9-5 Turbo Aero’ auch in Deutschland zu Preisen ab 31.450 € angeboten, allerdings gibt es bislang in Deutschland erst eine einzige Zapfsäule – auf dem Gelände eines Ford-Händlers in Bad Homburg.
Volkwagen kündigt gemeinsam mit Shell und Iogen auf der Automesse in Detroit im Januar 2006 an, die wirtschaftliche Machbarkeit der Herstellung von Zellulose-Ethanol in Deutschland prüfen zu wollen. Eventuell könne schon 2007 ein Ethanol-Werk die Arbeit aufnehmen.
Im Mai 2006 verlautet, daß die Bundesregierung in einem Modellversuch in Nordrhein-Westfalen erstmals Alkohol-Zapfsäulen in Deutschland einführen will. Trotzdem hofft man noch mehr auf die freien Tankstellen, damit es in zwei bis drei Jahren zumindest in allen größeren Städten Bio-Ethanol-Zapfsäulen gibt. In Schweden ging diese ‚Guerilla-Taktik’ auf, und als sich mit der kuwaitischen Marke Q8 dann einer der Multis zum Verkauf des Öko-Sprits entschloß, zogen auch die anderen ziemlich schnell nach.
Nach dem Erfolg in Schweden kommt der fünftürige ‚Ford Focus FFV’ im August 2006 auch in Deutschland auf den Markt, zu einem eher symbolischen Mehrpreis von nur 300 €. Außerdem wird das Angebot um eine entsprechende Variante des ‚C-Max’ erweitert. In beiden Fällen kommt ein 92 kW/125 PS starker 1,8-Liter-Motor zu Einsatz, der nahezu jedes Mischungsverhältnis von Superbenzin und Bio-Ethanol akzeptiert und der für den neuen Kraftstoff nur minimal modifiziert werden mußte.
Die Nordzucker AG kündigt Mitte 2006 an, in die Produktion von Ethanol aus Zuckerrüben einsteigen zu wollen. Rund 2.900 Rübenanbauern aus Norddeutschland hätten die Lieferung von mehr als 600.000 t Ethanolrüben zugesichert, womit der Weg frei sei für den Bau einer 70 Mio. € teueren Bioethanolanlage bei Magdeburg. Südzucker, die Nummer eins bei Zucker in Europa, will sogar die Marktführerschaft bei der Ethanolproduktion erringen und daher in den kommenden Jahren rund 500 Mio. € in neue Produktionsstätten investieren.
Die größte Bioethanol-Destillerie Europas steht zu diesem Zeitpunkt im sachsen-anhaltinischen Zeitz. Hier produziert die Crop-Energies AG, an der die Südzucker AG eine 70-Prozent-Mehrheit hält, im ersten Halbjahr 2006 knapp 110.000 m³ Bioethanol. Prinzipiell kann die Anlage 260.000 m³ pro Jahr destillieren, wozu 700.000 t Weizen nötig sind, von denen ein Viertel aus Tschechien importiert wird, während der Rest aus dem näheren Umkreis der Anlage kommt.
Die Namen der deutschen Bio-Kraftstoff-Hersteller lauten: Biopetrol, Verbio, Crop Energies, EOP Biodiesel und Petrotec, währdend Lurgi (Gea) und BDI Biodiesel zu den führenden Hersteller von Biosprit-Anlagen gezählt werden.
In Deutschland sind die Bioethanol-Modelle ‚Focus Flexifuel’ und ‚C-Max Flexifuel’ verfügbar, und bis Ende 2006 werden rund 1.000 Einheiten dieser Typen ausgeliefert. Ford fördert Bioethanol-Fahrzeuge außeredem durch Rabatte bei der Autoversicherung.
In Deutschland werden zurzeit pro Jahr etwa 120.000 t Bioethanol erzeugt. Das reicht allerdings gerade mal für 0,5 % des Benzin-Gesamtverbrauchs.
EU und Ethanol
Laut einer EU-Richtlinie von 2004 soll dem Benzin umweltfreundliches Ethanol beigemischt werden. Bis 2005 sollen es 2 % sein, bis 2010 sogar 5,75 %. 2005 liegt die Kapazität für Bioethanol in der EU bei 1,2 Mio. t, die Produktionsmenge bei 860.000 t.
Dem im Oktober 2006 veröffentlichten Energy Efficiency Action Plan der EU zufolge soll der Anteil alternativer Treibstoffe am Energieverbrauch von derzeit 14 % auf 20 % im Jahr 2020 gesteigert werden.
EU-Bauern drängen im Mai 2006 darauf, die Alkohol-Einfuhr aus Brasilien zu beschränken. Dabei ist die heimische Produktion von Bio-Treibstoff aus Getreide oder Zuckerrüben fast dreimal so teuer wie die Herstellung aus Zuckerrohr in Brasilien. Außerdem ist fraglich, ob Europa über ausreichende Anbauflächen verfügt.
Ethanol in Frankreich
Das ‚Grüne Programm’ der Regierung hat in den 1970ern als Fernziel die Produktion von 10 Mio. t Treibstoff im Jahre 2000. Der Etat für dieses Projekt erhöht sich von 3 Mio. Franc im Jahre 1979 auf 55 Mio. Franc 1980. In der Camargue, im Herzen des Rhone-Deltas, werden riesige Flächen mit wildem Zuckerrohr bepflanzt – andere Versuche werden durchgeführt mit Futterrüben, mit wildem Mais und mit Kartoffeln. 1981 gehen die ersten Pilotprojekte in Betrieb (auch was das aus stärkehaltigen Pflanzen gewinnbare Acetonobutylen angeht), und der Etat wird weiter auf 120 Mio. Franc angehoben.
Bis 1982/1983 soll die zehnprozentige ‚Carburol-Benzin-Mischung’ an allen französischen Tankstellen zu haben sein, der Verbrauch an herkömmlichem Benzin soll laut dem französischen Industrieministerium in den folgenden 10 Jahren um 25 – 50 % verringert werden. (Stand 1981)
Auf dem Shell European Eco-Marathon im Mai 2006 stellt der von französischen Studenten des Lycée La Joliverie in St Sébastien sur Loire und dem Polytechnikum in Nantes gebaute ‚Microjoule’ einen neuen Weltrekord auf. Das Ethanol-betriebene Versuchsfahrzeug fährt umgerechnet mit einem einzigen Liter 2.885 km weit (2003 war es mit einem Liter Benzin sogar 3.789,52 km gefahren).
Noch vor Elektrofahrzeugen will Renault eine komplette Palette von Fahrzeugen für Biokraftstoffe anbieten. Preislich sollen diese auf dem Niveau konventioneller Benziner und Diesel liegen. Die Vision Ende 2006: Bis 2009 soll jeder zweite Benziner Bioethanol tanken, und jeder Selbstzünder Sprit mit 30 % Biodiesel-Anteil verbrennen können. Den Anfang im Bereich der alternativen Antriebe macht das Unternehmen 2007 mit den Transportern ‚Trafic’ und ‚Master’. Im Frühjahr soll zudem eine spezielle Version des ‚Mégane’ auf den Markt kommen, dessen 81 kW/110 PS starker 1,6-Liter-Motor ebenfalls mit Bioethanol läuft.
Ethanol in Großbritannien
Die größte Zuckerrohr-Raffinerie entwickelt Anfang der 1980er Jahre ein neues Verfahren mit einer 12%igen Alkoholausbeute entwickelt – bei einer nur das Zehntel betragenden Anlagengröße. Bisher war die höchste Ausbeute etwa 7 – 8 % Alkohol.
Drei Studenten der Coventry Universität gründen die Firma Climax Ltd. und bauen einen ökologisch korrekten Sportwagens: Der futuristisch wie puristisch anmutende ‚Concept Climax’ ohne Türen oder Dach wird im August 2006 vorgestellt. Der Zweisitzer mit Vierzylinder-Mittelmotor wiegt 546 kg, fährt mit einem Benzin-Ethanol-Gemisch und verbraucht etwa acht Liter je 100 km. Die Maschine leistet 270 PS und bringt den Concept Climax in 3,4 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 257 km/h angegeben, und der Fahrer kann die Einstellungen für Motor und Fahrwerk via Laptop und USB-Verbindung verändern.
Ethanol in Italien
Seit 1980 gibt es einen Alfa Romeo, der für ein 20%iges Alkohol/Benzin-Gemisch optimiert wurde.
Ethanol in Indonesien
Der Forschungsminister und spätere Präsident Bacharuddin Jusuf Habibie kündigt 1980 den Aufbau einer ‚Energie-Landwirtschaft’ an. Das Land besitzt eine verwirrende Fülle von Pflanzen, die zur Treibstoffherstellung geeignet sind. Eine erste Pilotanlage wird für die jährliche Verwertung von 5.000 t Süßkartoffeln ausgelegt, die drei Ernten im Jahr erbringen.
1984 liegen Pläne vor, in den fruchtbaren Brachlandgebieten auf Sumatra und Borneo 4.000 – 5.000 Ethanolfabriken zu errichten – Abnehmer soll das finanzierungs- und kaufwillige Japan werden.
Japan und Ethanol
Um auch schon den Teenagern etwas zum träumen zu geben, wird Toyata im Januar 2007 das Konzept des ‚FT-HS hybrid’ Sportwagens mit mehr als 400 PS vorstellen, der wie der Lexus mit Toyotas Hybrid Synergy Drive (HSD) ausgestattet ist und mit ‚Flex-Fuel’ betrieben werden soll. Kaufen können sie ihn dann, sobald sie ihre erste Million gemacht haben…