Das Mittelmeer-Projekt
Die Idee, den Mittelmeerraum, und besonders die Länder Nordafrikas zur Energieversorgung Europas zu nutzen, ist nicht neu, doch erst in den 90er Jahren wurde damit begonnen, sich darüber ernstlich Gedanken zu machen.
1992 veröffentlicht das BMFT die Studie ‚Systemvergleich und Potential von solarthermischen Anlagen im Mittelmeerraum’, an deren Erstellung das ZSW, die DLR, Interatom/Siemens und das Ingenieurbüro Schlaich, Bergermann & Partner zwischen September 1990 und September 1991 beteiligt waren. Untersuchungsraum waren die 19 Anrainer des Mittelmeers sowie zusätzlich Jordanien und Portugal. Man errechnete insbesondere in Nordafrika eine potentielle Fläche von 0,51 Mio. km2, auf der die Anlagen errichtet werden können – unter Einbezug der maximalen Sonneneinstrahlung bei gleichzeitig ausreichender Nähe zu bereits bestehenden oder geplanten Stromnetzen bzw. Straßen. An dieser Fläche haben die Länder Ägypten, Libyen und Marokko zusammen einen Anteil von über 75 %. Die auf dieser Fläche prinzipiell installierbaren Kraftwerke hätten eine Leistung von 12.000 GW, was dem Vierfachen des gegenwärtigen weltweiten Stromverbrauchs entspricht (Stand 1992).
Unter vorsichtigen Annahmen wurde von einer bis 2005 erreichbaren Kapazität von 3.500 MW in den 16 Ländern des Mittelmeerraumes ausgegangen (die optimistische Variante nannte sogar 13.500 MW) – und bis 2025 könnten rund 23.000 MW (bzw. 63.000 MW) Solarstrom in die Netze eingespeist werden, was einen beachtlicher Anteil bildet an dem dann erwarteten Bedarf von etwa 190.000 MW in dieser Region. Mit einem derartigen Auf- und Ausbau solarer Kraftwerke ist ein Marktvolumen zwischen 15 und 60 Mrd. DM bis 2005, und von 90 bis 220 Mrd. DM zwischen 2005 und 2015 verknüpft. Der Anstoß zu Bau derartiger solarthermischer Kraftwerke kann daher nur von den finanzstarken und technisch fortgeschrittenen Ländern kommen – so die Studie. Sollte sich ein weitreichender Stromverbund realisieren lassen, könnte auch ein Solarstromexport aus dem Süden in das Europäische Verbundnetz erfolgen.
Seit Ende der 1990er Jahre wird das Mittelmeer-Projekt in erster Linie von der Erlanger Solar Millennium AG weitergeführt. Ich selbst hatte Gelegenheit, mir das Projekt ausführlich von dem Unternehmenssprecher Rainer Aringhoff beschrieben zu lassen, als wir im April 2004 – zusammen mit anderen Industrie- und NGO-Vertretern – Bundesumweltminister Jürgen Trittin in den Jemen begleiteten (ich in meiner Rolle als Dolmetscher), wo die fünfte und letzte Vorbereitungskonferenz für die Weltkonferenz renewables 2004 im Juni in Bonn stattfand.
Die Solar Millennium AG plant zusammen mit dem größten spanischen Anlagenbauer ACS-Cobra ab Herbst 2004 den Bau des größten Solarkraftwerks weltweit – ein erstes von zwei 50 MW Parabolrinnen-Kraftwerken in der Provinz Grenada, Andalusien. Ab 2006 soll das Kraftwerk für 180.000 Einwohner in der Provinz Granada solaren Strom liefern. Die Bundesregierung will diese Technologie als Exportchance der Zukunft weiter vorantreiben. Solar Millennium ist bereits 2001 bis Ende 2003 mit mehreren Millionen Euro, dem größten Einzeletat innerhalb des deutschen Zukunftsinvestitionsprogramms der Bundesregierung für Hochtemperatur-Solarthermie, unterstützt worden.
Die Studie ‚Solarthermische Kraftwerke für den Mittelmeerraum’ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vom Mai 2005 belegt das Potential dieser Kraftwerke, die in den Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens bis 2050 erwartete Verdreifachung des Strombedarfs zu decken. In einer weiteren Studie untersucht das DLR, welchen Beitrag Strom aus solarthermischen Kraftwerken in der Mittelmeerregion langfristig zur Stromversorgung in Europa leisten kann.
Die im Auftrag der Bundesregierung durchgeführten Studien TRANS-CSP und MED-CSP vertiefen die Überlegungen um ein, das Mittelmeer umfassendes Stromversorgungsnetz, das in erster Linie aus großen Solarkraftwerken besteht. Das Szenario, in dem bis zum Jahre 2050 etwa 15 % des europäischen Stroms aus den Wüsten kommt, erfordert eine enge Kooperation Europas mit den Ländern Nord-Afrikas und des Nahen Ostens. Motor des Projektes ist die Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC), ein internationales Netzwerk von Energieexperten, das u.a. vom Club of Rome ins Leben gerufen wurde. Das Ziel von TREC ist die Etablierung von Energie-, Wasser- und Klimasicherheit für die Regionen in Europa, dem Nahen Osten (the Middle-East) und Nord-Afrika (EU-MENA), sowie ihre Kooperation auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien, um diese Ziele zu erreichen. Mit Hilfe von Solarthermischen Kraftwerken und Windparks soll die Wasserentsalzung und Stromerzeugung vorangetrieben werden, um den Strom dann mittels Hochspannungs-Gleichstromleitungen (HVDC) in diese Länder und (mit nur 10 – 15 % Übertragungsverlust) bis nach Europa zu leiten.
Weitere Unterstützer des Konzeptes sind die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG), Greenpeace und der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Der Präsident des Club of Rome, Prinz Hassan bin Talal von Jordanien, ruft auf der Hannover Messe 2006 die europäische Industrie zu einer „Apollo-Programm ähnlichen“ Anstrengung auf und lädt zu einem internationalen Kongress (DESERTEC) im Frühsommer 2007 ein, um über die Umsetzung eines solchen Programms zu diskutieren.
Im Mai 2007 gründet Solar Millennium mit dem Esener Industriedienstleister MAN Ferrostaal eine eigene Baufirma für solarthermischen Großanlagen.
Das Pilotprojekt soll nun in Gaza entstehen, als Initialzündung, die den Teufelkreis aus Misstrauen und Mutlosigkeit durchbricht: „Es könnte der Stein sein, der die ganze Vision ins Rollen bringt“ – der durch die jüngsten politischen Entwicklung wohl erst mal wieder einmal gestoppt wurde.
Vom ägyptischen Sinai aus könnte ein Solarthermie-Kraftwerk den Gaza-Streifen mit Strom und Wasser versorgen – mit einer Kapazität für bis zu drei Millionen Menschen. Die Kosten sollen 4 Milliarden € betragen. Sie könnten sich nach Trec-Berechnung aber nach 15 Jahren amortisiert haben.
Prinz Hassan präsentiert dem EU-Parlament Ende November 2007 das Weißbuch Clean Power from Deserts – The DESERTEC Concept for Energy, Water and Climate Security. Um das Projekt auf den Weg zu bringen, sind etwa 10 Milliarden Euro nötig. TREC und der Club of Rome fordern daher von der EU und ihren Mitgliedsstaaten die Einrichtung eines entsprechenden Fonds. Außerdem dürfe das Netz nicht den Interessen der Energiewirtschaft überlassen bleiben, statt dessen müsse eine ‚solare Energieallianz der EUMENA-Staaten’ geschaffen werden.
Auf der Webseite von TREC liegen die Konzeptbeschreibung wie auch die Studien inzwischen in acht Sprachen vor.
An dieser Stelle ist angebracht darauf hinzuweisen, daß es natürlich auch noch andere Projekte für internationale Verbundnetze gibt.
Das Projekt ‚Synthesis’ betrifft beispielsweise ein internationales Verbundnetz von Gleichstrom-Hochspannungsleitungen, mit denen die verschiedenen Zentren der Energiegewinnung in den Wüsten rund um die Erde miteinander verbunden werden können und so den wichtigsten Nachteil aufheben, den die Gewinnung von Energie aus Sonnenlicht hat, daß die Sonne immer nur auf einer Seite der Erde scheint.
Die britische Zeitung The Independent berichtet im November 2007 über das Projekt eines etwa 8.000 km langen Stromleitungsnetzes, das von Sibirien bis nach Marokko, von Ägypten bis Island reicht. Als Hauptarterien dieses Supernetzes sollen ebenfalls Gleichstrom-Hochspannungsleitungen (HVDC) fungieren, die drei Mal so effizient sein sollen wie die üblicherweise verwendeten Wechselstromleitungen und bei Entfernungen ab 80 km auch deutlich Kosten sparen. Ein derartiges Supernetz macht Investitionen von 60 Milliarden € erforderlich. Als treibende Kraft hinter dieser Verbund-Idee gilt seit mehreren Jahren Gregor Czisch von der Universität Kassel.
Auch Erfahrungswerte gibt es schon, denn die Technologie ist bereits landesweit in Italien implementiert, und ein weiteres HGÜ-Kabel ist in der Ostsee zwischen Schweden und Deutschland installiert. Die bereits 1945 (!) erfundene Technologie hat allerdings auch einige Nachteile: Ihre hohe Anfälligkeit gegen Verschmutzung und Feuchtigkeit sowie ihre schwache Eignung für Überlasten und Abzweigungen.
Jos Meeuwsen von der TU Eindhoven ergänzt im Oktober 2007 diese Pläne mit der Aussage, daß das Stromnetz der Zukunft ähnlich strukturiert sein müsse wie heute das Internet. Jeder sollte in der Lage sein, ‚Strompakete’ ins Stromnetz ‚herunter- oder hochzuladen’. Das Netz wird vor allem vom jeweiligen Energiemix abhängig sein, aber neue Techniken müssen dafür sorgen, daß der ‚Zwei-Wege-Verkehr’ möglich ist und das dann dezentralisierte Netz dabei trotzdem stabil bleibt. Aus diesem Grund müssen Energietechnik, Informationstechnik und Stromelektronik so integriert werden, daß das entstehende Stromnetz dann weitgehend dem Internet gleicht.
Meeuwsen stellt drei Szenarios für die Stromnetze in der Zukunft vor, die sich vor allem im Hinblick auf die Größe der Anlagen zur Stromerzeugung unterscheiden. Das Szenario ‚Supernetzwerke’ sieht große Anlagen vor mit Hochspannungsnetzen vor, wozu eine großer Anteil an erneuerbaren Energien (Biomasse, Windanlagen) kommt. Das Szenario ‚Hybride Netzwerke’ geht auch von großen Anlagen, vor allem Biomasse und Windparks, aus, wozu aber zahlreiche kleine Anlagen in Dörfern und Städten (Biomasse, Wind, Solarenergie) ebenfalls Strom einspeisen. Im ‚lokalen’ Szenario überwiegen schließlich die kleinen Anlagen bis hin zu ‚Mikrogeneratoren’, auch wenn vor allem die Industrie weiterhin Strom auch von großen Anlagen beziehen wird.
Solare Wasserentsalzung
Um den Rahmen des Themas zu verdeutlichen, fasse ich hier kurz den Stand der Dinge auf dem Gebiet der Meerwasserentsalzung zusammen:
Die erste Meerwasserverdampfungsanlage wurde 1869 von den Briten am Golf von Aden gebaut, um ihre Kolonialflotte mit Trinkwasser aus dem Roten Meer zu versorgen.
2004 sind weltweit mehr als 9.500 Meerwasserentsalzungsanlagen in Betrieb. Sie erzeugen zusammen rund 11,8 Mrd. m3 Wasser pro Jahr. 1995 lag die Gesamtkapazität bei 20 Mio. m3 pro Tag. 2001 waren es 32,4 Mio. m3, und 2004 sind es 36 Mio. m3 täglich. 57 % der Anlagen stehen im Nahen Osten, wobei Saudi-Arabien mit 4 Mio. m3 am Tag der weltweit größte Produzent von Trinkwasser ist, das aus Meerwasser gewonnen wird. Außerdem wird ein Großteil des Wassers industriell genutzt.
So baut ein 2004 israelisches Unternehmen z.B. in dem indischen Bundesstaat Gujerat eine gigantische Meerwasserentsalzungsanlage im Wert von mehr als 11 Mio. $ für die größte indische Erdölraffinerie (dabei haben 20 % der indischen Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, und 60 % haben keine sanitären Einrichtungen). Auch die erste Meerwasserentsalzungsanlage, die von Vivendi Universal im Staat Sonora in Mexiko gebaut wird, soll Wasser für die Industrie produzieren.
Doch schon im Oktober 1999 stellt das in Maskat, Oman, beheimatete Middle East Desalination Research Center auf einer internationalen Konferenz fest, daß innerhalb der vergangenen 30 Jahre auf dem Sektor der Meerwasserentsalzung keine wesentlichen Forschritte erzielt worden sind. Die aktuellen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache:
- 97 % der Wasserressourcen der Erde sind Salzwasser.
- 70 % der Weltbevölkerung lebt an Küsten.
- 0,25 % der Trinkwasserversorgung wird durch Entsalzungsanlagen gedeckt.
Anderen Quellen zufolge soll es 2006 weltweit schon rund 15.000 Anlagen geben, sicher ist jedoch, daß nur ein winziger Bruchteil davon mit Solarenergie betrieben wird.
Die solare Meerwasserentsalzung nach dem Greenhouse-Prinzip wird schon seit 1872 (o. 1877) praktiziert, als der Schwede C. Wilson gemeinsam mit einem chilenischen Team in Las Salinas (Chile) die erste Anlage dieser Art errichtet. Mit ihrer Fläche von 4.460 m2 war sie bis 1967 ohne Konkurrenz, als auf der griechischen Insel Patmos eine solare Entsalzungsanlage mit einer Fläche von 8.600 m2 gebaut wurde. Zumeist werden die Anlagen zur Meerwasserentsalzung eingesetzt, in Australien dagegen vornehmlich zur Aufbereitung von Brackwasser.
Diese Technologie wird insbesondere in den 1960er Jahren in Australien, Griechenland, Tunesien und den USA umgesetzt, weiter Einzelanlagen entstehen auf den Kapverden, auf Haiti und auf den Windward Inseln, außerdem in Indien, Mexiko, Pakistan, Spanien und der UdSSR. 1972 wird in Pakistan eine Anlage mit einer Fläche von 9.072 m2 errichtet.
In den darauf folgenden Jahrzehnten wird dieser solartechnische Anwendungsbereich in größerem Umfang weiterentwickelt und auch praktisch erprobt, so daß heute in Ägypten, Israel, Kanada, Jordanien, Dubai, Saudi-Arabien, auf den Kanarischen Inseln und anderswo derartige Anlagen in den verschiedensten Dimensionierungen besichtigt werden können.
Im Grunde kann zwischen drei Anlagentypen unterschieden werden:
- Erwärmung von stehendem oder fließendem Meer- oder Brackwasser über einer schwarzen Absorptionsfläche bei anschließender Verdampfung und interner oder externer Kondensation.
- Trennung von Absorptions- und Verdampferstrecke, der Wärmetransport erfolgt hier mit Hilfe eines Transportmediums.
- Das Meer- oder Brackwasser steht zwar auf der schwarzen Absorptionsfläche, doch die Verdampfung wird durch Anbringung lichtdurchlässiger Folien auf der Oberfläche der Sole verhindert. Die Verdampferstrecke befindet sich dabei außerhalb der eigentlichen Anlage.
Ein wirtschaftlicher Durchbruch bei den Versuchen, traditionelle großtechnische Verfahren mit Verfahren der solaren Meerwasserentsalzung zu koppeln, ist bislang noch nicht erfolgt. Zwar wurden derartige Systeme wiederholt propagiert und zum Teil sogar technisch umgesetzt, doch unter den derzeitigen Bedingungen arbeiten selbst Anlagen mit Mehrstufenverdampfern nicht wirtschaftlich. Und dies gilt besonders dann, wenn zur Erzeugung der elektrischen bzw. mechanischen Energie für den Entsalzungsvorgang regenerative Energiequellen wie Wind oder Sonnenenergie (z.B. über Solarzellen) verwendet werden.
Das sogenannte Gegenstromprinzip, das von der IPAT in Berlin erfolgreich weiterentwickelt wurde, arbeitet mit einer Betriebstemperatur von 75°C – 95°C, wobei ohne weitere Zusatzaggregate eine Tagesausbeute von 10 Litern Süßwasser pro Quadratmeter Kollektorfläche verzeichnet wird. Bei diesem Prinzip, das dem ersten der drei o.g. Anlagentypen entspricht, wird ein dünner Wasserfilm über eine schwarze, um 6° – 10° geneigte Fläche geleitet, welche mit Plastik oder Glasplatten bedeckt ist. Wie schon der Name andeutet, strömt diesem Wasser langsam trockene Luft entgegen, die den durch die Sonneneinstrahlung entstehenden Wasserdampf aufnimmt, sich damit sättigt, und dann in Kühlkammern soweit abgekühlt wird, bis der Wasserdampf kondensiert.
In dem oben bereits erwähnten Solardorf Las Barrancas wird auch eine Entsalzungsanlage installiert, die täglich 20 m3 Trinkwasser produziert. Das Meerwasser wird mittels einer (auch) solar betriebenen Pumpe zur der Anlage transportiert, die nach dem Verfahren der Mehrstufen-Destillation aufgebaut ist. Die elektrische Pumpe wird mit der Energie von 70 m2 Solarzellen betrieben.
Eine der neueren solaren Entsalzungsanlagen in arabischen Ländern wird ab 1977 in Aqaba am Roten Meer (Jordanien) installiert. Die 15 autonomen Module à 25 m2 sollen über ein getrenntes Verdampferteil täglich 2 m3 Trinkwasser liefern. Von den 640.000 $ betragenden Projektkosten trug die federführende GTZ einen Anteil von 400.000 $. Konzipiert wird die Anlage von der Firma Dornier-System, realisiert wird sie mit Hilfe der Jordanischen Royal Scientific Society (RSS), und eine Lizenzvergabe an die RSS über die Produktion und den Vertrieb derartiger Anlagen im gesamten Mittleren Osten ist damit ebenfalls verbunden. Die mit Freon als Betriebsmittel funktionierende Anlage soll in ihrer größten wirtschaftlich vertretbaren Form etwa 24 m3 Frischwasser pro Tag erzeugen. Im Juli 1979 wird bekannt, daß die RSS von seitens der GTZ einen zusätzlichen Betrag von 487.000 DM für die weitere lokale Erforschung entsprechender Sonnenenergieanwendungen erhält.
Die im Rahmen der Niedertemperatursysteme bereits erwähnten Solarmatten der VW AG werden auch für Entsalzungsanlagen vorgeschlagen, da einmal das schwarz eingefärbte Plastikmaterial resistent genug ist, und weil sich die erreichbaren Temperaturen von bis zu 70°C anderseits sehr gut als Vorlauftemperaturen für die eigentliche Entsalzungsanlage nutzen lassen.
Als weiteres System sei die von der DFVLR neuentwickelte solare Dampfmaschine genannt, die mit Hohlspiegeln als Strahlungsfänger und mit einer automatischen Sonnennachführung ausgerüstet ist. Das Süßwasser fällt dort in einer durchschnittlichen Tagesmenge von 1.500 1 als zusätzliches Resultat der Kühlung bei der 10 kW Stromerzeugung an.
Grundsätzlich muß zum Thema der solaren Entsalzung gesagt werden, daß derartige Anlagen unter den heutigen Umständen nur dann wirtschaftlich vertretbar sind,
- wenn nur relativ geringe Mengen an entsalztem Wasser benötigt werden,
- kein oder nur wenig saisonal anfallendes Oberflächenwasser vorhanden ist,
- kein oder nur wenig Grund- bzw. fossiles Wasser vorhanden ist,
- die Transportkosten für Süßwasser per Schiff oder per Pipeline zu teuer sind,
- fossile Energieträger für die Verdampfung rar oder zu teuer sind bzw. aus ökologischen Gründen nicht eingesetzt werden sollen,
- keine Wärme-Kraft-Kopplung möglich ist (s.d.),
- eine genügend große Fläche zur Verfügung steht,
- und das Sonnenenergieangebot ausreicht.
Anfang der 1980er Jahre werden in arabischen Ländern verschiedene Pilotanlagen zur solaren Entsalzung gebaut, von denen ich einige nachfolgend vorstellen möchte (obwohl sie z.T. nicht solarthermisch, sondern über Photovoltaik betrieben werden):
In der Nähe von Jeddaj, Saudi-Arabien, errichtet die Mobil Tyco Solar Energy Corp. 1982 am Roten Meer eine solare Entsalzungsanlage nach dem ‚Permasep’-Reverse-Osmosis Prinzip von Du Pont. Die von der Mobil Saudi Arabia betriebene Anlage besitzt 210 PV-Solarmodule mit insgesamt 8 kW Leistung und produziert nach Herstellerangaben 1.000 Gallonen Trinkwasser am Tag. Es zeigt sich, das die RO-Technologie im Betrieb nur halb so teuer ist wie die thermale Entsalzung.
Die erste Großanlage im Nahen Osten entsteht ab 1984 in Abu Dhabi (V.A.E.), auf der Insel Umm el Nar (Mutter des Feuers). Diese von der japanischen Firma Sakura und mit Regierungshilfe gebauten Anlage hat einen täglichen Ausstoß von 80 t Trinkwasser und kostet knapp 9 Mio. $. Eine spätere Erweiterung auf 120 t/d ist geplant. Es wird die gleiche Technik eingesetzt, die sich schon auf der japanischen Insel Takami bewährt hat, dort aus klimatischen Gründen allerdings in einem kleineren Maßstab von nur 16,4 t/d.
Anfang 1985 geht in Yanbu’ – ebenfalls in Saudi-Arabien – eine Anlage in Betrieb, die mit einer neuen Technik durch indirektes Frieren arbeitet. Bauherr ist die amerikanische Chicago Bridge & Iron Company, die Kosten betragen 18 Mio. $ und der Ausstoß beträgt 55.000 Gallonen pro Tag. Leider habe ich keine näheren technischen Details über die Funktionsweise dieser Anlage herausfinden können.
Auch die IPAT der TU-Berlin beschäftigt sich weiter mit der solaren Meerwasserentsalzung. Mitte der 1980er werden auf der portugiesischen Insel Porto Santo drei Varianten eines einfachen Systems mit Doppelglasabdeckung getestet, bei dem die Verdampfungswärme, die bei der Kondensation frei wird, aufgefangen, gespeichert und während der Nacht noch einmal in einem Verdunstungsvorgang der Gewinnung reinen Wassers genutzt wird. Es zeigt sich, daß sich die Leistung des Systems damit fast verdoppeln läßt.
Der Wuppertaler Professor Ulrich Reif entwickelt seinerseits einen kleinen, mobilen Solar-Trinkwassergenerator in Pyramidenform und erhält dafür den Hauptpreis des Internationalen Designpreises Osaka 1987.
Das deutsche Unternehmen Bomin-Solar stellt 1988 einen solarbetriebenen doppelten Stirlingmotor vor (s.d.), bei dem ein zusätzlicher Kolben als Kälteaggregat fungiert. Dabei kommt das Funktionsprinzip der zyklischen Kompression bzw. Dekompression des Arbeitsgases zum Tragen. Salzhaltiges Wasser wird über das Kälteaggregat geleitet und erstarrt dort zu Eis. Beim Gefriervorgang flocken Salze und Schadstoffe aus, wodurch Blöcke aus reinem Süßwasser-Eis zurückbleiben.
Zwischenbemerkung: 1991 beträgt die weltweite Kapazität konventioneller, thermischer Meerwasserentsalzungsanlagen ca. 10 Mio. m³ pro Tag. Dabei entfallen 48 % der weltweiten Anlagenkapazität auf die Anrainerstaaten des Arabischen Golfs, denn die Meerwasserentsalzung mittels fossiler Brennstoffe können sich heute fast ausschließlich noch diese Länder leisten.
Die bereits 1991 in Los Angeles gegründete Sun Utility Network von Safwat Moustafa entwickelt eine mobile ‚Solar Multistage Flash’ (MSF) Meerwasser-Entsalzungsanlage mit einem Tagesausstoß von über 50 m3, die mit einem Vakuumröhren-Kollektor ausgestattet ist. Außerdem wird eine ortsfeste 100 m3 Anlage entwickelt, mit Vakuumröhren-Kollektoren und/oder mit einer selbst entwickelten Solarteich-Technologie arbeitet. 1995 stellt das Unternehmen zusammen mit der Sinh Solar Co. auch solare Destillationsanlagen, Sterilisationssysteme sowie PV-Stromversorgungen für abgelegene Krankenhäuser her, die auf Haiti und im Kongo installiert werden. Nach 2002 hört man allerdings nichts mehr von dem Unternehmen.
Seit 1994 arbeitet in Chigasaki Japans erste vollautomatische thermische Solarentsalzungsanlage mit Membrantechnologie, deren Pumpen von Solarzellen betrieben werden. Das herstellende Unternehmen Takenaka Corp. stellt auch ein Großkonzept vor, bei dem Wüsten von Meeresküsten aus begrünt werden.
Ab November 1998 fördert das Middle East Desalination Research Center drei Forschungsvorhaben zur solaren Entsalzung in kleineren Anlagen. Neben Wissenschaftlern von IT Power Ltd., Großbritannien, und der jordanischen Royal Scientific Society sind auch Angehörige der Palästinensischen Autonomieverwaltung, des Instituts für Verfahrenstechnik der TU Aachen, des Zentrums für Solarenergie und Wasserstofforschung (ZSW), dem Center National de Coordination et de la Recherche Scientifique et Technique (CNR) in Marollo sowie der Sultan Qaboos University, Oman, beteiligt.
Da es sich zeigt, daß herkömmliche Metallkollektoren in Meerwasserentsalzungsanlagen von diesem schnell zersetzt werden, startet das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) 1998 im Rahmen eines EU-Projektes ein dreijähriges Demonstrationsvorhaben auf Gran Canaria, bei dem ein neu entwickelter Kunststoff-Absorber zum Einsatz kommt, den das Wasser großflächig in Schlangenlinien durchfließt, und an dem das Institut bereits sechs Jahre gearbeitet hatte. Um die Absorptionsfähigkeit des verwendeten Kunststoffes zu erhöhen, wird dieser mit Hilfe der Sputter-Technik mit Edelstahloxynitrid überzogen. Beim Sputtern (= Spritzen) schlagen Argon-Ionen in einem Vakuum winzige Teilchen aus einem Stück des Beschichtungsmaterial heraus und verteilen es hauchdünn auf dem gewünschten Material.
Das Ergebnis ist ein Kunststoffabsorber, der das Meerwasser auf 85°C aufheizt und damit die Voraussetzungen für eine Destillation schafft. Das erhitzte Wasser wird über Kunststoffvliese geleitet, von deren feuchtwarmer Oberfläche Dampf aufsteigt, der sich an den Rohren des benachbarten Wärmetauschers niederschlägt und als Kondenswasser in einen Auffangbehälter tropft. Durch die Anordnung von Kollektor, Verdunster und Kondensator wird das Wasser in zwei Schritten erwärmt: zuerst bis zu 75°C im Wärmetauscher, der gleichzeitig als Kondensator wirkt, und danach im Kollektor, wo es schnell die 85°C erreicht. Das nun stärker konzentrierte Salzwasser tropft von dem Kunststoffvlies ab und wird ins Meer zurückgeführt.
Die Anlage, die täglich etwa 1.000 l Süßwasser produziert ist mit einem Heißwasserspeicher ausgerüstet, so daß sie auch Nachts läuft und damit rund um die Uhr Meerwasser entsalzen kann. Hergestellt wird sie von der Münchner Firma TAS. Größere Anlagen sind angedacht, Kooperationen bestehen bereits mit Spanien und Griechenland.
Um 2003 entwickeln Bochumer Maschinenbauer am Lehrstuhl für Partikeltechnologie und Partikeldesign der Ruhr-Universität Bochum (RUB) eine Meerwasser-Entsalzungsanlage, welche die Sonnenenergie in einem geschlossenen, rückgekoppelten System einsetzt. Die Anlage kostet 10.000 €, die je zur Hälfte auf die Materialkosten und die Arbeitszeit entfallen. Als Trägergas dient Luft, so daß die Anlage insgesamt mit niedrigeren Temperaturen arbeiten kann als herkömmliche Verfahren.
Das salzige Wasser wird erwärmt und rieselt durch einen Verdunstungs-Befeuchter, der die einströmende Luft erwärmt und zusätzlich mit Wasserdampf aus dem Meerwasser anreichert. Am Entfeuchter wird die Luft dann kondensiert: Das gewonnene, reine Wasser fließt aus der Anlage heraus, die übriggebliebene Salzlösung (Sole) wird im Kreislauf wieder der Ausgangsflüssigkeit zugeführt. Bei zehn Sonnenstunden ergibt sich bei diesem Verfahren eine Produktrate von 20 Litern Wasser pro Quadratmeter Kollektorfläche und Tag. Die Anlage ist zwar für Solarenergie konzipiert, läßt sich aber auch mit anderen Energiequellen betreiben wie die Abwärme von Dieselmotoren.
Wissenschaftler am Lehrstuhl für Verfahrenstechnische Transportprozesse der Ruhr-Universität Bochum stellen im November 2003 den Prototyp einer neuartigen, mit Sonnenenergie betrieben Trinkwasser-Entsalzungsanlage vor, die Luft als Wärmetransportmittel verwendet und sich deshalb mit niedrigeren Temperaturen betreiben läßt als die herkömmlichen, teuren Entsalzungsanlagen. Bei einer Sonnenscheindauer von 10 Stunden liegt die Leistung bei 20 l Trinkwasser pro Tag und Quadratmeter Kollektorfläche. Die Entwicklung der Anlage wurde im Rahmen des Projektes ‚Soldes’ von der EU gefördert.
Sehr interessant ist auch das Konzept des ‚Solarzeltes’ von Dr. Friedrich Naehring aus Estorf, das etwa 50 Liter Süßwasser je Tag und Quadratmeter Grundfläche liefern kann. Bei dem hier angewendeten Kreisprozeß namens ‚Humidification and Dehumidification of Air in a Solar Powered Convective Cycle’ geht es um die Beladung heißer Luft mit Wasserdampf über einer Salzwasseroberflache und der sich daran anschließenden Kondensation an tropischen Pflanzen in einem zeltförmigen Gewächshaus.
Bei diesem System, über das mich der Entwickler Mitte 2007 persönlich informiert, sind allerdings noch eine Reihe von Fragen zu klären: Der optimale Luftkreislauf im Zelt, die Gestaltung der Salzwasserfläche, die Auswahl geeigneter Pflanzen für hohe Temperaturen, usw.
Über einige der einfachen Methoden zur solaren Wasserentsalzung berichte ich unter‚ 3.-Welt-Systeme’. Und ein detaillierter Artikel über das Thema der solaren Wasserentsalzung ist inzwischen auch auf Wikipedia einsehbar. Ausgesprochen elementar ist der Hinweis auf eine weitere Form der Wasserentsalzung mittels dessen Herunterkühlung auf den Anomaliepunkt.