Ausgewählte Länder II Windenergie

Windenergie in der Bundesrepublik Deutschland (1930er Jahre bis 1993)

Aufgrund der allgemeinen Informationslage gibt es hier in Deutschland natürlich auch am meisten Informationen über deutsche Windprojekte, daher ist dieser Beitrag über Windkraft besonders lang. Er bildet aber auch gleichzeitig einen detaillierten und repräsentativen Entwicklungsbericht über die Fortschritte auf dem Sektor der Windenergie innerhalb der vergangenen Jahrzehnte.

In der Bundesrepublik wurde eine Größenunterteilung vorgenommen, die möglicherweise als Vorstufe zu einer DIN-Normierung gelten kann (Leistungsangaben bei Vollast):

  1. Kleinanlagen, Rotordurchmesser = 10 – 11 m, Leistung = 3 – 8 kW (Mit Akkumulatoren zusammen werden Kleinanlagen als ‚Windcharger’ bezeichnet).
  2. Mittlere Größe, Rotordurchmesser = um 36 m, Leistung = 100 – 300 kW
  3. Große Anlagen, Rotordurchmesser = 80 – 112 m, Leistung = 1 – 3 MW (Bezeichnung: ‚Wind-Konverter’)

Deutschland gilt inzwischen als die Nr. 1 unter den know-how-Inhabern der Windenergie. Die kulminierten Erfahrungen lassen sich bis in die 1930er Jahre zurückverfolgen, als der Ingenieur Hermann Honnef, dar damals fast alle Funktürme baute, seine Planungen über Windkraftwerken vorlegte, welche er auch mit experimentellen Untersuchung­en erhärten konnte. Honnef plante 400 – 500 m hohe Turmkonstruktionen mit je 5 riesigen Windturbinen auf senkrechten Achsen. Dies sollten Riesen-Doppelrotoren mit Ringgenerator zur Stromerzeugung sein. Rotor und Stator der elektrischen Maschine waren jeweils an einem der gegenläufigen mehrflügeligen Rotoren angebracht. Das gab bei geplanten Durchmessern von 120 m für den Ringgenerator und 160 m Gesamtdurchmesser natürlich erhebliche bauliche Probleme.

In Gruppen zu je fünf Anlagen sollten diese Anlagen etwa 50 MW erbringen. Honnef verstand es, eine hohe Lebenserwartung (über 50 Jahre) mit einer einfachen Wartung der Windenergie­Stationen zu verbinden – doch leider wurden seine Pläne nie realisiert, vermutlich wegen den damals als zu hoch betrachteten Kosten von etwa 4,6 Millionen Mark.

Honnef Offshore-Rotoren Grafik

Honnef-Offshore

Ein weiteres – und wie wir heute auch wissen, sehr weitsichtiges – Projekt von 1929/1930 beinhaltete Windkraftanlagen auf verankerten Pontons in der windreichen Nordsee. Sie sollten den Wind ernten wie ein im Kreis grasfressendes Schaf, das an einem Pflock mit Seil angebunden ist. Der Ponton würde sich immer automatisch zur Windrichtung richtig ausrichten.

1935 wurde bei Berlin versuchsweise ein Windkraftwerk nach dem System Teubert gebaut. Dieses beinhaltete einen modern aussehenden 4-Blatt-Rotor, dessen Flügel mit automatischen Anstellwinkel-Steuerungen ausgerüstet waren, die von dem Flugzeugingenieur Georg König entwickelt worden waren.

Mitte der 1930er Jahre gab es noch etwa 5.000 Windmühlen in Deutschland – und bis in die 50er gab es weiterhin etliche windbetriebene Papier-, Polier- und Pulvermühlen, Hämmer und Stampfer. Doch dann zahlte die Regierung Adenauer insgesamt 180 Millionen DM ‚Abschaltprämien’, um diese Mühlen ein für alle mal ‚aus dem Wind zu drehen’! 1942 legt Ulrich Hütter mit seiner Dissertation Beitrag zur Schaffung von Gestaltungsgrundlagen für die Windkaftwerke den theoretischen Grundstein für alle modernen Windturbinen mit 2 oder 3 Rotorblättern.

1949 erfolgt die Gründung der Studiengesellschaft Windkraft in Stuttgart. In Weimar besitzt die Firma Ventimor ein kleines Windtestfeld, auf dem verschiedene Rotoren untersucht werden. Und ab 1950 baut die Firma Allgaier aus Uhingen die ersten serienmäßigen Windkraftanlagen (7,2 kW). In Stötten (Württemberg) wird 1956 ein erstes Windtestfeld eingerichtet.

Hütter-Rotoren

Hütter-Rotoren

Zwischen 1957 und 1968 speiste eine von Prof. Ulrich Hütter in Stötten, auf der Schwäbischen Alb nahe Geislingen, gebaute 2-Flügel-Anlage bis zu 100 kW ins Öffentliche Netz. Prof. Hütter, der ab Januar 1975 dann das Forschungsinstitut Windenergietechnik an der TH Stuttgart leitete, mußte seine Anlage damals allerdings wieder demontieren, weil der Träger – ein von ihm gegründeter e.V. – die Grundstückspacht nicht mehr aufbringen konnte. Dieser deutsche Fachmann arbeitete später an 3 bis 6 kW Anlagen für Entwicklungsländer und galt als einer der wichtigsten Berater der NASA auf diesem Gebiet. Auf dem Foto ist das Urmodell aller modernen windnutzenden Geräte, die StGW-34-Anlage von Ulrich Hütter abgebildet.

Außerdem installierte Hütter gemeinsam mit der US-Firma Automatic Power Inc. bereits 1958 einen kleinen Allgeier WE 10 kW Windgenerator auf einer Ölplattform im Golf von Mexiko – das wohl erste Offshore-Gerät, daß sich damals auch gegen ein Dieselaggregat durchsetzt haben soll.

Besonders interessant ist, daß eine Windturbine mit 34 m Durchmesser und GFK-Rotorblättern (!) bereits 1966 ebenfalls in Stötten probeweise in Betrieb genommen wurde. Die Blattspitzen erreichten bei der Nenndrehzahl von 42 Umdrehungen pro Minute eine Geschwindigkeit von etwa 270 km/h.

In den 1970er Jahren beginnen sich verstärkt private Erfinder wie auch Institute und Firmen mit der Weiterentwicklung von Windenergiesystemen zu beschäftigen. So steht z.B. ab Mitte 1973 bei Tinnum auf Sylt eine 70 kW Anlage namens ‚Noah’, die von der SG Energieanlagenbau GmbH Solingen erstellt wird. Auf einem 12 m hohen Mast befinden sich zwei gegenläufige 5-Blatt-Rotoren von je 11 m Durchmesser. Die Herstellungskosten betrugen damals 2.000 DM, der Transport und die Montage kosteten 1.000 DM (!!). Während des Sturms im Winter 1973/1974 wurde die Anlage zwar stark beschädigt, danach jedoch wieder repariert und verbessert. Eine zweite 5-Blatt-Anlage wurde 1976 in Fuhlenhagen aufgestellt.

Gegenläufiger Rotor auf Tinnum

Doppelrotor (1974)

1974 erfolgt die Gründung des Vereins für Windenergie-Forschung, frühester Vorläufer des heutigen Bundesverbandes Windenergie.

Auch das BMFT steigt in die Windenergieforschung ein. Die Bundesregierung förderte die Nutzung der Windenergie unter dem Druck der Öffentlichen Meinung im Zeitraum 1975 – 1986 mit rund 200 Mio. DM, die in etwa 70 Projekte flossen. Von dem Geld gingen allerdings nur 34 Mio. DM in die Entwicklung und Konstruktion kleiner Windkraftanlagen; und im Vergleich mit den 16 Milliarden DM, die in dem selben Zeitraum in die Atomindustrie gesteckt wurden, wirkt der Betrag jedoch geradezu lächerlich gering.

Das Ministerium förderte so z.B. den Betrieb einer 270 kW Anlage auf der Schwäbischen Alb. Und mit 4,6 Mio. DM wurde im Jahre 1978 die Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt (GKSS) in Geesthacht gefördert, um 4 Jahre lang kleine 10 kW Windanlagen zu untersuchen, wie sie zum damaligen Zeitpunkt angeboten wurden. Die Installation der entsprechenden Versuchsanlagen erfolgte 1980 auf der nordfriesischen Insel Pellworm. Doch schon 1982 hatte sich gezeigt, daß von den untersuchten 9 Kleinwindgeräten einige bereits vom ersten Sturm reparaturreif ‚geblasen’ wurden. Andere konnten nie als funktionsbereit abgenommen werden, und selbst bei den 4 Anlagen, die 1883 noch liefen, waren z.T. erhebliche Nachbesserungen notwendig gewesen. Wirtschaftlich lief laut GKSS keine einzige dieser Anlagen. Eine weitere Analyse, die 1986 veröffentlicht wurde, ergab 5 nicht einsatzfähige und 4 nur einigermaßen funktionstüchtige Anlagen. Nur eine in Dänemark hergestellte Anlage wurde als störungsfrei bezeichnet.

Eine weitere BMFT-geförderte Anlage wurde unter dem Projektnamen ‚GROWIAN’ bekannt (= Große Windkraft Anlage). Es handelte sich dabei um eine 3 MW Windkraftanlage, die in Zusammenarbeit der Universität Stuttgart, der Gesamthochschule Kassel, der DFVLR in Köln-Porz und der Firma MAN (die schon im 3. Reich der ‚Reichsarbeitsgemeinschaft Windenergie’ angehörte) konzipiert und erstellt wurde. Ein 3-jähriger Probebetrieb sollte entscheiden, ob ein technischer und wirtschaftlicher Einsatz von Windanlagen dieser Größenordnung überhaupt sinnvoll ist. Für den 102 m hohen Stahlbeton-Turm, der mit einem 2-Blatt-Rotor vom 100,4 m Durchmesser versehen wurde, war eine Lebensdauer von 20 Jahren veranschlagt worden. Ende 1979 stand bei der DFVLR das erste maßstabsgetreue Modell im Windkanal, wo es vor allem auf Schwingungsprobleme hin untersucht wurde, die Kosten wurden damals auf 30 Mio. DM geschätzt. Im Mai 1981 war dann der Baubeginn. Als Gesamtprojektkosten wurden inzwischen etwa 100 Mio. DM veranschlagt, von denen das BMFT etwa 24 Mio. DM übernehmen sollte. Die Reinkosten für eine Anlage hätten in Serienfertigung bei 10 Mio. DM liegen müssen, damit eine Nutzung nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten hätte erfolgen können. Die alleine 40 Mio. DM (nach anderen Quellen sogar 52 Mio. DM) betragenden Baukosten des ersten Prototyps wurden dann sogar zu 90 % vom BMFT getragen – als Betreiber wurde von den Hamburgischen Elektrizitätswerken, der Schleswag in Rendsburg und den Rheinisch-West­fälischen Elektrizitätswerken die ‚Growian Bau ­und Betriebsgesellschaft Hamburg’ gegründet.

Hans Matthöfer, seinerzeit Bundesforschungsminister, begründete das Millionenprojekt damals mit den Worten: „Wir wissen, daß es uns nichts bringt. Aber wir machen es, um den Befürwortern der Windenergie zu beweisen, daß es nicht geht.“ Einen Kommentar hierzu erspare ich mir…

Growian Windkraftanlage

Der Growian

Mitte 2007 meldete sich der in dieses Projekt ebenfalls involvierte Meßtechnik-Ingenieur Klaus Nolopp, ein Freund, den ich schon aus Zeiten des ‚Wuseltronik‘-Kollektivs in Berlin kenne, mit einer kleinen aber wesentlichen Korrektur:

„Du hast die Historie schön aufbereitet – ich bin mir aber nicht sicher, ob wirklich ALLE Beteiligten am Growian (dessen erste und auch letzte Betriebsstunde von meiner Frau Brigitte live miterlebt wurden!) dessen Scheitern zeigen wollten. Damit tut man sicherlich vielen Beteiligten unrecht.

Sicher gab es gerade bei den Hauptverantwortlichen einige, denen das Scheitern ganz gut in den Kram paßte, aber ebenso dürften auch etliche engagierte Leute dabeigewesen sein, die ganz einfach mit solchen Beanspruchungen nicht gerechnet hatten…“

Doch zurück zur Chronologie: Im Februar 1983 war der Bau abgeschlossen und man hoffte, die Anlage bis Ende 1986 voll ausfahren zu können. Doch kurz nach den Inbetriebnahme am 11.07.1983 rissen drei der vier Bremsscheiben. Auch nach der offiziellen Einweihung am 17.10.1983 wurde es nicht besser, und erst im Februar 1984 floß zum ersten mal Strom in das Netz der Schleswag. Zuvor musste sogar einer der Flügel nachgeklebt werden. Doch dann zeigten sich aufgrund gravierender Konstruktionsfehler in der Rotornabe Risse im schwer zugänglichen Pendelrahmen.

Insgesamt lief der Growian nur 18 Tage, wobei er ganze 80.000 kW/h lieferte. Statt den 250 Eigenheimen konnte damit nur ein einziges Haus versorgt werden (!). Am 19. Tag lief das 4 t schwere Lager heiß, die Kugeln mußten daraufhin gegen kleinere ausgetauscht werden. Mitte 1984 verweigerte das BMFT die zur Reparatur benötigten 10 Mio. DM, und 1988 wurde der Growian mit Millionenverlusten demontiert und abgewrackt.

Das Fazit war niederschmetternd: In den ersten vier Betriebsjahren lief die Anlage insgesamt nur 419 Stunden (!) – und etwa die Hälfte der 87,2 Mio. DM an tatsächlichen Kosten und Fördermitteln waren regelrecht ‚vernichtet’ worden. Als einzig positives Element galt die im Rahmen des Projektes erfolgte Entwicklung des doppeltgespeisten Asynchrongenerators, der laut Erich Hau, einem der federführenden Ingenieuren, später ein richtiger Verkaufshit wurde.

In Industriekreisen wurde trotzdem von einem ‚Growian II’ Folgeprojekt geredet, das als Einflügler 5 MW Leistung erzielen sollte. 1985 bis 1990 wurde ein ‚Growian WKA-60’ auf Helgoland errichtet. Von dieser Anlage wurden allerdings nur 4 Stück gebaut, nachdem es mit den CFK-Rotorblättern große Probleme mit Blitzschlag gab und die Versicherung den dritten Rotorblatt-Schaden nicht mehr bezahlte. Auf dem ehemaligen Gelände des havarierten Growian 32 wurden 1989 kleinere Anlagen zwischen 25 und 55 kW sowie zwei 165 kW Anlagen aufgebaut, mit einer Gesamtleistung von immerhin rund 1,3 MW.

An dieser Stelle möchte ich ein Zitat von Ingenieur E. Hau aus dem Jahr 2000 einflechten, das die Situation Anfang der 80er Jahre gut darstellt:

„Vor 20 Jahren haben alle großen Firmen, MAN, MBB, Dornier, Windkraftanlagen gebaut – mit erheblichen Fördergeldern von Bonn, nebenbei gesagt: Sie hatten alle keinen Erfolg. Das hat an mehreren Gründen gelegen. Das eine war natürlich, wie bei den Großen oft: Wenn die Fördertöpfe zuende gehen, wird das Interesse geringer. (Und) während wir in unserem Growian in hundert Meter Höhe saßen und uns den Kopf zerbrachen, was wir nicht noch alles machen könnten, um das Ding zu retten, sind die Windmühlen (aus Dänemark) über die Grenze gekommen. Die ersten Bauern in Norddeutschland haben die dänischen Maschinen gekauft. Und siehe da, die gingen. Die waren viel, viel kleiner, und man konnte mit diesen Maschinen einfach vernünftig Strom erzeugen. (…)

Wir haben zwar alle an die Sache geglaubt, wenn ich für die Leute sprechen darf, die von Anfang an dabei waren. Die tatsächliche Entwicklung aber hat keiner von uns geahnt.“

Die bereits genannte GKSS hatte schon Anfang der 1980er Jahre eine kombinierte und in einem Container eingebaute Windenergie / Meerwasserentsalzungs-Anlage vorgestellt, welche im Durchschnitt täglich 6.000 l Trinkwasser erzeugen sollte und auf der Hallig Süderoog – dem mit nur zwei Bewohnern wohl kleinsten Gemeindewesen der Bundesrepublik – aufgestellt wurde. Bis dahin mußte das Trinkwasser mit Tankschiffen dort hintransportiert werden. Die Anlage arbeitete nach dem Prinzip der umgekehrten Osmose, wobei das salzige Nordseewasser unter hohem Druck an einer, die Salzionen zurückhaltenden Membran vorbeigeleitet wird. Nur Süßwasser durchdringt die Membran und wird auf der anderen Seite gespeichert. Die Betriebsenergie lieferte ein 3-Blatt­Rotor von 10 m Durchmesser, der bei Windstärke 5 etwa 6 kW abgab.

Ein anderer Anwender der Windenergie war die Deutsche Bundespost, welche Ende 1981 kombinierte Solar/Wind-Anlagen für Funkübertragungsstellen in Freiwill bei Flensburg und in Harnberge bei Bremen erstellt hat.

Doch auch auf einer eher individuellen Ebene wird für die Windenergie etwas geleistet. Als einige von vielen möglichen Beispielen nenne ich hier den ‚Grossmann-Rotor’, der sich aus mehreren alten, senkrecht durchgesägten Ölfässern leicht herstellen läßt (s.u. Savonius-Rotor). Auf dem Markt befinden sich bald auch diverse Kleingeräte für Segelbote und Wochenendhäuser, die zur Ladung von konventionellen 12 V-Batterien gut geeignet sind und 1980 etwa 500 DM kosten. Und 1980 gründen Windfans einen Deutschen Windenergieverein, der kurz darauf bereits 300 Mitglieder zählt.

1982 erhält die Firma MBB zwei Design-Preise für ihren Einflügler ‚Monopteros’, der im Auftrag des BMFT entwickelt und erstmals im Dezember 1981 bei Bremerhaven-Weddewarder installiert wurde. Mit 50 m Turmhöhe und einem Rotordurchmesser von 48 m war er damals der weltweit größte Einblattrotor, die Jahresleistung sollte 1,3 Mio. kWh betragen. Dieses Forschungsvorhaben wurde mit 37 Mio. DM gefördert. Zwischen MBB, dem BMFT und der Stadt Bremerhaven entstand anschließend ein Streit darüber, zu welchem Preis der Monopteros-Strom in das öffentliche Netz eingespeist werden sollte. MBB offerierte gleichzeitig dem Markt eine kleine M-15 Anlage zu einem Preis von 80.000 DM.

Während bei Großanlagen wie dem Growian mit allen Mitteln bewiesen wurde, daß sie für eine preiswerte öffentliche Stromversorgung nichts taugen (wobei zu bemerken ist, daß die beteiligte Firma MAN zum damaligen Zeitpunkt auch 10 kW Anlagen der Marke ‚Aeroman’ für etwa 70.000 – 100.000 DM das Stück vertrieb; bis 1986 wurden davon rund 400 Stück in die USA verkauft), beschäftigt sich andere Forschungsinstitute und Projektgruppen mit kleineren, ‚angepaßten’ Anlagen. Die inzwischen aufgelöste IPAT der TU Berlin (= Interdisziplinäre Projektgruppe für Angepaßte Technologie) wurde so auch von der GTZ und dem BMZ unterstützt, als sie sich mit der Nutzung der Windenergie zur Förderung von Wasser aus tief gelegenen Flußläufen, Brunnen und Quellen für die Trinkwasserversorgung, Viehtränkung und Landbewässerung in Entwicklungsgebieten beschäftigt hat.

Die Konzepte der Projektgruppe beinhalteten, daß die für den Windpumpenbau benötigten Materialien und Bauteile möglichst in den Anwenderländern selbst hergestellt werden sollten, ebenso sollte die Instandhaltung leicht dort erfolgen können. Die IPAT beschäftigte sich deshalb in der Hauptsache mit Schlagflügel-Windanlagen und Innenwalkring-Pumpen zur Wasserförderung.

Schlagflügel

WindWing

Ein ähnliches System wird übrigens erst wieder im März 2007 publik, als das neu gegründete Unternehmen W2 Energy Development Corp. aus Santa Barbara, Kalifornien, eine ebenfalls oszillierende Windpumpe vorstellt, deren Wirkungsgrad zwischen 40 % und 60 % liegen soll. Entwickler der WindWing-Anlage ist Gene Kelley, den Patentantrag dafür hat er bereits 2005 eingereicht.

Zur breiten, lokalen Anwendung fehlte es in der Bundesrepublik damals allerdings an zuverlässigen meteorologischen Daten über Windaufkommen und -intensität, es gab nur etwa 70 Stationen neben den rund 350 nebenamtlichen Windmessern, also weitaus weniger, als hierzu notwendig gewesen wäre (Stand 1980). Ebenso waren die Archivierung und die Auswertung der hereinkommenden Daten ein neues Gebiet. Besonders über den fast stetigen Höhenwind lagen so gut wie keine Informationen vor.

Als Standorte für Windanlagen kamen die Küstenregionen, dort besonders die Insel Sylt, sowie lokale Alpenrandgebiete infrage. Das BMFT ging davon aus, daß die Wind­energie etwa 8 % des Energiebedarfs der Bundesrepublik Deutschland decken könnte (Stand 1979). Ein Forschungsauftrag zur Bestimmung des Windenergieangebots im Bereich der Deutschen Bucht und der Norddeutschen Tiefebene wurde vom BMFT mit 1,4 Mio. DM finanziert. Seit 1985 unterstützte das BMFT auch den Bau von Inselbetrieb-Windparks in Ländern der 3. Welt (mit je 10 Stück 20 bis 30 kW Anlagen).

1986 stellte die Deutsche Gesellschaft für Windenergie bei einer Erhebung fest, daß es in Deutschland bereits etwa 500 Windkraftwerke verschiedenster Art gab, davon seien aber nur rund 50 einigermaßen professionell. MAN und andere Firmen gründeten daraufhin die Fördergemeinschaft Windenergie. In Eiderstedt wollte eine Stiftung Windenergie sogar 90 Mio. DM zum Bau von 300 Windkraftanlagen akquirieren. Eine 1,2 MW Dreiblatt-Anlage mit einem Rotordurchmesser von 60 m von MAN wurde auf Helgoland installiert, deren Überschussstrom zur Meerwasserentsalzung dienen sollte. Eine 30 kW Anlage kostete damals inklusive Fundament und Mehrwertsteuer rund 110.000 DM. Technisch zugelassen war außer dem ‚Aeroman’ von MAN nur eine 20 kW Anlage der Firma Windkraft-Zentrale in Brodersby bei Kappeln (Kostenpunkt: 63.000 – 77.000 DM). Im Verkauf befanden sich aber auch die Enercon 55/15 der Gesellschaft für Energieanlagen in Aurich (ein 3-Flügler mit 55 kW für 136.000 DM) und die V-16 des dänischen Unternehmens Vestas, von dem sich weltweit schon etwa 1.600 Exemplare im Wind drehen (55 kW für 105.000 DM).

Schon 1987 nehmen die allgemeinen Probleme mit Zulassungen und Baugenehmigungen zu, außerdem steigern sich die Ressentiments gegen die ‚Windspargel’ aufgrund des Lärms und ihrem häßlichen Aussehen (s.u. Grenzen der Windnutzung ).

1988 wird bekannt gegeben, daß der erste deutsche Windpark mit 30 Anlagen an der Elbmündung in Dithmarschen seit einem Jahr einwandfrei arbeitet. Ein weiterer Windpark entsteht bei Cuxhaven mit 10 Enercon 55 kW und 15 MBB 30 kW Anlagen. Die Investitionskosten von ca. 6 Mio. DM werden zwischen dem BMFT und dem Stromversorgungsunternehmen Überlandwerke Nord-Hannover geteilt. Das BMFT fördert außerdem ein Forschungsvorhaben der Gesamthochschule Kassel mit 650.000 DM, bei dem auf der Hohen Knüll bei Bad Hersfeld zwei 10 kW Anlagen mit Netzeinspeisung aufgestellt werden. Bis Mitte 1988 sind insgesamt 150 BMFT-geförderte kleine und mittlere Anlagen mit insgesamt 5 MW aufgestellt.

1989 gibt die KfA Jülich bekannt, daß das BMFT die Maßnahme ‚100 MW Wind’ mit dem Ziel unterstützt, eine größere Zahl von Demonstrationsanlagen zu erstellen. Besonders auf der Halbinsel Eiderstedt werden daraufhin mehrere Windparks geplant, davon aus privater Initiative alleine 200 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 500 MW. Doch auch der Deutsche Alpenverein engagiert sich und baut am 1.765 m hoch gelegenen Rotwandhaus nahe Bayrischzell einen 36 kW Rotor, der so ausgelegt ist, daß er beim Betrieb nicht lauter ist als der Wind selbst. Der Dreiblatt-Rotor hat einen 10 m hohen Turm, die Blattlänge beträgt 10,4 m und die Kosten 120.000 DM.

Der Interessenverband Windkraft Binnenland hat 1989 schon 550 Mitglieder, die sich mit nicht erteilten Baugenehmigungen und anderen behördlichen Auflagen und Einwänden herumschlagen müssen. Seit 1987 soll kein einziger (privater) Antrag mehr genehmigt worden sein, obwohl sich der niedersächsische Regierungschef Ernst Albrecht (CDU) entschlossen hatte, den Bau von Windkraftanlagen zu einem Drittel aus dem Landesetat zu fördern. Die Erfahrung zeigte, daß insbesondere die Strom-Giganten, die sich rein aus Image-Gründen mit erneuerbaren Energien beschäftigten, mit Anträgen für großangelegte Windparks das gesamte Förderkontingent anschöpften.

Bis 1990 flossen insgesamt 82 Mio. DM in die Förderung der Windenergie.

Die Bundesrepublik Deutschland beschließt 1990 das Stromeinspeisegesetz – während in Husum und Bredstedt bereits erste Klärwerke mit Windkraft laufen, ebenso wie ein Wasserwerk in Gelting.

Nach vier Jahren Bauzeit geht 1990 in Heukenkamp bei Wilhelmshaven der (damals) größte deutsche Windpark (‚Jade-Windpark’) mit einer Gesamtleistung von 2 MW in Betrieb. Für eine Investitionssumme von  rund 25 Mio. DM wurden drei Monopetrus-50-Windturbinen von MBB (Einflügler, Turmhöhe 60 m, Rotorblattlänge 28 m) mit jeweils 640 kW Leistung und 20 Jahren Lebensdauer errichtet. Das BMFT förderte die Entwicklung dieser Anlagenart mit 4,3 Mio. DM. Geplant war für den Jade-Windpark im Folgejahr außerdem eine deutsch-schwedische 3 MW Großanlage ‚Aeolus II’ in Kooperation zwischen den Firmen MBB und Kvaerner Turbine.

Am 21.03.1990 wird im spanischen Galizien in der Nähe des Ortes Cabo Villano und im Rahmen eines deutsch-spanischen EG-Projektes eine 1,2 MW-Anlage mit dem Namen ‚Awec 60’ in Betrieb genommen. Die Anlage hat 6,5 Mio. DM gekostet. Am 02.07.1990 geht auf Helgoland die bis dahin größte deutsche Windanlage ans Netz (Turmhöhe 44 m, Rotordurchmesser 60 m), die pro Jahr rund vier Millionen kW/h erzeugen soll. Und am 31.12.1990 schaltet die konstruierende Husumer Schiffswerft ‚Europas größten Windpark’ im nordfriesischen Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog, an der Unterelbe bei Brunsbüttel, ans Netz – mit 35 MAN-Windkraftanlagen (30 m hoch, 12 m lange Rotorblätter) und insgesamt 8,75 MW Leistung. Ein späterer, zweiter Bauabschnitt umfasste weitere 15 Anlagen mit 3,75 MW, die Kosten betrugen insgesamt rund 28 Mio. DM. Die Husumer Schiffswerft legte noch Pläne für einen weiteren Windpark auf der Halbinsel Eiderstedt oder an der dänischen Küste vor, bei denen für privat investierte 30 Mio. DM 52 Anlagen insgesamt 13 MW Strom erzeugen sollten.

Ebenfalls 1990 errichtet die Firma Südwind gemeinsam mit der Berliner Bewag eine erste Demonstrationsanlage auf der 40 m hohen Mülldeponie Wannsee.

E 40 Windkraft-Anlage

E 40 Anlage

Nach langen und mitunter schwierigen Auseinandersetzungen tritt am 01.01.1991 eine Novellierung der Bundestarifordnung „über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz“ in Kraft. Demnach beträgt die Vergütung für regenerativ erzeugten Strom 90% des Durchschnittserlöses je Kilowattstunde aus der Stromabgabe von den EVU.

Im Dezember 1991 nimmt in Rapshagen bei Pitzwalk die erste große Windkraftanlage des Landes Brandenburg ihrer Betrieb auf. In China werden in der Inneren Mongolei die ersten beiden aus Deutschland importierten 5 kW Anlagen installiert.

Bis 1992 gibt es ein 250 MW Förderprogramm für Windkraftanlagen (bis 1995 jährlich 50 MW), bei dem jede Windkraftanlage zehn Jahre lang im praktischen Einsatz überwacht wird. Danach will man überwiegend Großwindanlagen fördern. In Brandenburg sorgt eine Ampelkoalition durch einen Investitionszuschuß von 30 bis 50 % für die mit Abstand höchste Förderung. Im März 1992 wird im Windpark der EWE AG bei Hamswehrum der Prototyp einer getriebelosen 400 kW Anlage von Enercon errichtet (E 36). Die dabei gewonnenen Daten fließen später in die Entwicklung eines 500 kW Serienmodells ein (E 40). Bei diesen Modell weist der neuartige, vom Rotor direkt angetriebene Synchrongenerator in Ringbauweise einen mittleren Durchmesser von 4 m auf.

Am 21.09.1992 nehmen die Stadtwerke Husum einen Windpark in Betrieb, der durch die Verwendung von Windkraftanlagen verschiedener Hersteller, verschiedener Turmhöhen (28 m und 55 m Nabenhöhe) sowie kompakter Aufstellung der Anlagen eine optimale Ausnutzung des verfügbaren Geländes demonstriert. Dort werden acht Anlagen der Husumer Schiffswerft (HSW 250) sowie sieben Anlagen der Firma Tacke (TW 250) mit je 250 kW Nennleistung errichtet. Die Gesamtleistung entspricht somit fast 4 MW.

Die Windsteuer, die 1992 vom dem ostfriesischen Bürgermeister Udo Reemstma ‚erfunden’ wird, kann sich nicht durchsetzen.

Die Niedersächsische Landesregierung plant 1993, bis zum Jahr 2000 rund zweitausend Windmühlen mit etwa 1.000 MW Gesamtleistung zu erstellen. Theoretisch seien sogar 10.000 MW alleine an der Küste möglich – so die damalige Umweltministerin Monika Griefahn. Eine entsprechende Windstudie hatte 280.000 DM gekostet. Im schleswig-holsteinischen Dithmarschen wird Anfang November ein weiterer Windpark mit sieben Anlagen und einer Nennleistung von 3,5 MW eingeweiht, die Kosten betragen 7 Mio. DM.

Bis 1993 hatte man durch ein BMFT-Projekt auf Borkum genügend Erfahrungen mit einer windbetriebenen Meerwasserentsalzung gewonnen, nun werden Pläne für eine größere 300 kW Anlage auf Rügen gemacht, die speziell für den Einsatz im Ausland die erforderliche Einsatzreife erlangen soll, wobei das Destillat in Anpassung an die Schwankungen im Windangebot durch eine mechanische Dampfverdichtung gewonnen wird. Als Trinkwasserleistung werden 15 Kubikmeter pro Stunde angegeben, die Projektkosten betragen etwa 3,4 Mio. DM.

Anfang Juli 1993 geht der ‚größte Windpark Deutschland’ auf der Ferieninsel Fehmarn mit 34 Anlagen und einer Gesamtleistung von 17 MW in Betrieb. Die Kosten hierfür betragen 40 Mio. DM. Auch das neue Versand- und Logistikzentrum der Otto Versand GmbH in Haldensleben (Sachsen-Anhalt) wird mit mehreren Windrädern zur unterstützenden Stromversorgung ausgerüstet. Als ‚größter Binnenwindpark Europas’ gehen Mitte November neun von zehn Windräder im sächsischen Jöhnstadt (Landkreis Anaberg) ans Netz. Mit der Energie sollen 8 % des Stromverbrauchs des Landkreises mit seinen etwa 95.000 Einwohnern gedeckt werden. Im Herbst wird an der Universität Bremen der erste Lehrstuhl für Windenergie eingerichtet.

 

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