Polymere für die Medizin

Polymere für die Medizin

Frankfurt am Main –

Polymere für die Medizin

Kunststoffe mit Bio-Feeling

Oder: Nützliche Polymere für die Medizin

Mit „Bio Polymers“ hat die Fachgruppe Makromolekulare Chemie in der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) ihre diesjährige Tagung in Aachen überschrieben. Vom 28. bis 30. September werden nicht nur neue Konzepte und Wege vorgestellt, welche biobasierten Kunststoffe in Zukunft zum Allgemeingebrauch und in der Technik denkbar wären, sondern vor allem auch welche nützlichen Anwendungen den Polymeren für die Medizin erschlossen wurden. Hierzu gehören makromolekulare Träger, die Diagnostika und Therapeutika an den gewünschten Ort im Körper bringen, oder biokompatible Polymermaterialien für Implantate. Namhafte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland konnte das wissenschaftliche Komitee um Professor Dr. Martin Möller von der RWTH Aachen und den Fachgruppenvorsitzenden, Dr. Hans-Wilhelm Engels, Bayer Materialscience, Leverkusen, als Vortragende gewinnen.

Von der University of California in Berkeley reist Professor Dr. Jean M.J. Fréchet nach Aachen an, um in einem Plenarvortrag seine Forschungsarbeiten über wasserkompatible Polymerträger für Therapeutika und Diagnostika vorzustellen. Fréchet spricht vom „Design“ solcher Polymere; denn es erfordert höchstes kunsthandwerkliches Können von den Chemikern, solche Makromoleküle zu entwerfen und zu entwickeln, die Wirkstoffe im Körper gezielt an ihren Wirkort befördern. Die Größe, die räumliche Struktur und die Funktionalität der polymeren Träger spielen eine entscheidende Rolle, um beispielsweise die Ausscheidung über die Nieren zu verzögern oder die Aufnahme von Wirkstoffen über die so genannten retikuloendothelialen Zellen zu vermeiden oder zu forcieren. Funktionelle Gruppen an den Makromolekülen kontrollieren die Löslichkeit in der Körperflüssigkeit und die Wirkstofffreisetzung am Zielort. Das ist beispielsweise in der Chemotherapie enorm wichtig. Ganz entscheidend ist das Verhalten von Träger und Wirkstoff gegenüber dem pH-Wert; denn dieser ist in krankhaftem Gewebe, wie es bei Krebs, Entzündungen oder Arteriosklerose auftritt, niedriger, „saurer“, als in gesundem Gewebe.

Wasserkompatibel zu sein, war die erste Voraussetzung für diese polymeren Träger – eine Eigenschaft, die synthetischen Polymeren nicht „von Natur aus“ anhaftet. Eine weitere Herausforderung stellte nun der Transport großer biologischer Moleküle wie DNA oder Protein-Antigene dar, aus denen Impfstoffe bestehen, die in der Immuntherapie eingesetzt werden. Hierfür werden polymere Mikro- und Nanopartikel designt, die den Impfstoff spezifisch und ohne, dass er sich unterwegs abbaut, in das Zytoplasma der Zellen transportieren. Im wässrigen Medium der Körperflüssigkeiten sind die Mikro- und Nanokapseln dispers verteilt und bleiben strukturell unversehrt, bis sie von den Phagocyten aufgenommen werden. Hier ist nun ein schneller Abbau in kleine Moleküle gefordert, damit der bioaktive Teil ins Zytoplasma der Zielzelle gelangen kann. Auch die hier greifenden Mechanismen sind Folge von pH-Wert-Veränderungen. Bei den Polymer-Designern ist höchster chemischer Sachverstand gefragt.

Über „engineered biomaterials“ forscht der Polymerchemiker Professor Dr. Buddy D. Ratner an der University of Washington in Seattle. Ihn faszinieren Hydrogele in der medizinischen Anwendung. Begonnen hatte die Entwicklung dieses Gebiets mit den weichen Kontaktlinsen in den sechziger Jahren. Vernetzte Polyhydroxyethylmethacrylate und andere Hydrogele, also wasserenthaltende, aber wasserunlösliche Polymere, sind bioverträgliche Materialien, die sich für die Anwendung im Körper, beispielsweise für Implantate, eignen. Trotz bereits vielfältiger Anwendungen müssen die Polymermaterialien insbesondere an den Oberflächen verbessert werden. Denn hier stehen sie in Kontakt mit Körpergewebe und -flüssigkeiten, von denen sie „angegriffen“ werden, was zu Entzündungen führen kann. Ratner stellt in Aachen vor, wie man Implantatoberflächen so manipulieren kann, dass sie den biologischen Angriffen widerstehen. Bei anderen Anwendungen ist aber gerade die biologische Abbaubarkeit erwünscht – natürlich auch, ohne dass es zu Entzündungsprozessen kommt. Des Weiteren wird in Seattle über poröse Implantate und Gewebematerialien aus Hydrogelen geforscht. Die größte Herausforderung ist die Nachbildung von Herzmuskelgeweben.

Professor Dr. Dr.-Ing. Jian Ping Gong, die zunächst Elektrophysik in China studierte und über Supraleiter in Tokio promovierte, beschäftigt sich seit 1993 mit Polymerwissenschaften an der Hokkaido University in Sapporo. Sie bezeichnet die weichen Hydrogele als Schlüsselmaterialien für das Zeitalter der Life Sciences und macht die Gründe dafür in ihrem Vortrag in Aachen deutlich. Allerdings sind die Materialien für viele medizinische Anwendungen noch nicht ausreichend beanspruchbar und belastbar, woran aber gearbeitet wird. Frau Gong versucht vor allem, den Reibungskoeffizienten der Materialien zu senken, um sie beispielsweise noch erfolgreicher als Knorpelersatz verwenden zu können.

Zahlreiche, vornehmlich deutsche Arbeitskreise aus Universitäten, anderen Forschungsinstitutionen und der Industrie stellen in Aachen vor, wie sie die unterschiedlichen Fragestellungen aus der Biomedizin vonseiten der Polymerchemie angehen können. Dazu schauen sie auch auf Vorgänge und Strukturen in der Natur und lassen sich davon inspirieren. Das Ineinandergreifen von Biologie und Chemie hat über die Polymerwissenschaften ganz neue Aspekte erhalten.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker gehört mit über 28.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 25 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Fachgruppe Makromolekulare Chemie mit annähernd 1.200 Mitgliedern. Die Fachgruppe wurde vor 60 Jahren gegründet. Sie vereinigt Wissenschaftler aus Hochschulen, Forschungsinstituten und der Industrie, und zwar aus allen Bereichen der Polymerchemie und -physik von den Funktionswerkstoffen, den technischen Kunststoffen, über Biopolymere und Biomaterialien bis hin zu nanoskaligen Polymersystemen für die Medizin, Elektronik oder Optik.

Kontakt:
Dr. Renate Hoer
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (GDCh) Öffentlichkeitsarbeit
Postfach 900440
60444 Frankfurt
Tel.: 069/7917-493
Fax: 069/7917-307
E-Mail: r.hoer@gdch.de
www.gdch.de

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