Temperaturgradient

Der Temperaturgradient und die Energie-Gewinnung bei Meerwasserkraftwerken 

Der Vorschlag, den Temperaturgradienten der Meere auszunutzen, also den Unterschied zwischen den oberen warmen und den unteren kälteren Wasserschichten, geht auf den französischen Wissenschaftler Prof. Jacque Arsene d’Arsonval im Jahre 1881 zurück.

Diese, sich in der Hauptsache durch Sonnenenergie, Erdkernwärme und Wärme mechanischer und biologischer Prozesse im Meer selbsterneuernde Energie wird auf etwa 50 · 1012 W geschätzt, von denen rund 2 · 1012 W nutzbar sein sollen. Die international gebräuchliche Bezeichnung dieser Energienutzungsmethode lautet inzwischen ‚Ocean Thermal Energy Conversion’ (OTEC). 

D’Arsonvals Artikel erschien am 17. September in der Revue Scientifiqe und beinhaltete auch den Vorschlag, im Dampfkessel statt Wasser flüssige Schwefelsäure zu nutzen, da diese einen nutzbaren Druck schon bei einer Temperatur von 30°C entwickelt, wie sie z.B. in den heißen Quellen von Gernelle vorliegen – während das Oberflächenwasser mit seiner Temperatur von 15°C den Kondensatorseite des Kreislauf kühlen kann. Noch größere Temperaturdifferenzen stellt d’Arsonval zwischen der Meeresoberfläche in den Tropen und der fast überall bei 4°C liegenden Wassertemperatur der Tiefsee fest. Ein Temperaturunterschied von 15 bis 20°C reicht aus, um eine Niederdruck-Dampfmaschine oder ähnliche Gerätschaften zu betreiben.

Die Idee wurde zwar 1913 von einem Amerikaner namens Campbell aufgegriffen, die beiden Italiener Dornig und Boggia beschäftigten sich damit, und ebenso 1924 der Berliner Physiker Dr. E. Bräuer. Doch erst im November 1926, als die Pariser Akademie der Wissenschaften einen Bericht über das Energiekonzept des französischen und bereits weltberühmten Ingenieurs Georges Claude erhält – mitunterzeichnet von dessen Elektroingenieur Paul Boucherot – beginnt die Idee Gestalt anzunehmen. (Claudes Bekanntheit hängt mit seiner Erfindung der Neonröhre 1909 zusammen, für die er am 19. Januar 1915 das U.S.-Patent Nummer 1.125.476 erhielt.)

Nach einem ersten Kleinversuch mit einer Energieausbeute von 3 W wird sogleich eine 50 kW Anlage entworfen, die Ende April 1928 am belgischen Hüttenwerk von Ougrée erfolgreich in Betrieb genommen wird, wo als Wärmequelle das aufgeheizte Kühlwasser der Hochöfen dient. Die Prüfung der Energiebilanz zeigt, daß die gesamten Hilfsmaschinen nur ein Viertel der erzielten Leistung verbrauchen, so daß die nutzbare Ausbeute 75 % beträgt.

1929 beginnt Claude, der sich das Prinzip des offenen Kreislaufs patentieren läßt und übrigens ein Student und Freund d’Arsonvals ist, mit einen weiteren Versuch in der Bucht von Matanzas an der Nordküste Kubas, etwa 85 km östlich von Havanna, der ihn über 1 Mio. $ kostet. Das größte Problem bildet dabei die – aufgrund des sanft abfallenden Meeresbodens – notwendige Verlegung eines 2 km langen, riesigen Ansaugrohres, mit welchem das kalte Tiefenwasser an die Oberfläche geholt wird.

Da Claude das Rohr später für ein größeres Werk nutzen will, sieht er einen Durchmesser von 1,6 m vor, obwohl für die Versuchsanlage ein viel geringerer Durchmesser genügt hätte. Das Rohr wird aus leichtgewellten Stahlblech hergestellt, zunächst in Längen von 20 m, die man mit der nötigen Wärmeisolation versieht und dann unter Verwendung von Gummidichtungen zusammenschraubt. Auf diese Weise fertigt man zwei Teile an, ein 150 m langes Stück, das man von der Küste aus ins Meer hinausschiebt, wo es bis 18 m Tiefe hinabreicht, sowie das Hauptrohr von 1.850 m Länge, das von Tauchern an das Küstenrohr angeschlossen werden soll. Doch zweimal mißlingt die Verlegung. Beim ersten Mal reißen die Haltetrossen und das Rohr versinkt, beim zweiten Mal klickt es ein und bekommt einen Riß, den man nicht ausbessern kann. Im September 1930 wird der dritte Versuch erfolgreich abgeschlossen, allerdings mit einem kürzeren Rohr, daß schon in 600 m Meerestiefe endet.

Da aus diesem Grund das Kühlwasser mit einer Temperatur von 14°C am Kondensator angelangt, und aufgrund der Oberflächentemperatur von 28°C nur ein Gefälle von 14° zur Verfügung steht, leistet die eigentlich auf 50 kW ausgelegte Anlage nur 22 kW, was weniger ist, als die Pumpen für ihren Betrieb benötigen. Die Hauptgründe dafür sind der schlecht gewählte Standort sowie Probleme mit Algenbewuchs. Trotzdem betrachtet Claude seinen Versuch als erfolgreich, da er beweist, daß die Technologie handhabbar und auch ertragreich ist.

Für vertiefende Informationen über die damaligen Versuche ist es interessant, den Artikel darüber aus der Modern Mechanix vom Dezember 1930 zu lesen.

Grafik eines Schwimmenden Meereskraftwerkes

Schwimmendes Meereskraftwerk

Claude und Boucherot machen zwar noch weitere große Pläne, wie den eines schwimmenden Meereskraftwerkes mit einem Durchmesser von 600 m und sternförmig angeordneten Maschinenhallen mit jeweils 40 MW Leistung, und man denkt sogar an schwimmende Flughäfen, die ihre Energie von Temperaturgradient-Kraftwerken beziehen. Zwischen 1933 und 1935 wird so eine weitere Anlage mit offenem Zyklus konstruiert, die sich diesmal an Bord eines fest verankerten 10.000 Tonnen Frachters vor der Küste von Brasilien befindet.

Claude ist auch in anderen Bereichen aktiv, wie zum Beispiel beim Bau einer schwimmenden Anlage zur Herstellung und dem Vertrieb von industriellem Eis, die 1935 auf dem Schiff La Tunise in Brasilien installiert wird.

Nachdem jedoch tropische Stürme beide OTEC-Versuchsanlagen zerstören, beendet Claude seine diesbezüglichen Aktivitäten, die ihn fast in den Bankrott getrieben haben.

Erst 1956 nimmt ein weiterer Franzose namens Nizery die Versuche wieder auf, diesmal vor Abidjan an der Elfenbeinküste. Dort liefern zwei Anlagen zusammen 10 MW. Der ‚Rüssel’ der Anlage holt 8°C kaltes Wasser aus 420 m Tiefe hoch, womit die Differenz zum 30°C warmen Oberflächenwasser 22°beträgt. Diese Versuche werden jedoch nicht weitergeführt, weil die Stromkosten dieser OTEC-Anlagen nicht mit den günstigen Preisen von konventionellem hydroelektrischem Strom konkurrieren können.

Die heutigen Vorschläge betreffen in erster Linie besonders große Unterwasserstationen, welche die Temperaturdifferenz ausnutzen sollen, und dies, obwohl als Wirkungsgrad derartiger Systeme nur 2 – 3 % genannt werden.  Dabei wird technologisch unterteilt zwischen Anlagen mit geschlossenem, mit offenem oder mit Hybrid-Kreislauf.

Im Modell sehen derartige Stationen noch immer folgendermaßen aus: Aus den Tiefen des Meeres (die Nennungen variieren zwischen 600 m und 1.200 m) wird mittels langer Röhren oder Rüsseln von großem Durchmesser kaltes Tiefenwasser hinaufgepumpt, um dort ein leichtflüchtiges, bei niedrigen Temperaturen siedendes Arbeitsmedium zu kondensieren (meist Ammoniak oder Freon). Das warme Oberflächenwasser wird daraufhin zur Verdampfung dieses Arbeitsmediums genutzt, welches dann eine Turbine zur Stromproduktion antreibt. Über die anschließende Kondensation schließt sich der Kreislauf. 

Besonders in den USA finden Konzepte zur Nutzung des Meerestemperaturgradienten große Aufmerksamkeit. J. Hilbert Anderson und sein Sohn James H. Anderson, Jr. beginnen zwar schon 1962 mit ihren Versuchen und gründen 1972 in Jacobus, Pennsylvania, die Sea Solar Power Inc. – doch jahrzehntelang existieren nur Pläne für Demonstrationsanlagen, von denen ein 10 MW System landbasiert installiert werden soll, während eine 100 MW Anlage als Schiff konzipiert ist, das nebenbei auch noch täglich 120.000 t Trinkwasser produziert. Die Abell Foundation aus Baltimore läßt sich diese Technologie später lizenzieren und gründet mit der Tochter Sea Solar Power International ein spezielles Unternehmen zu ihrer Vermarktung. Doch erst Ende 2006 arbeitet das Unternehmen an seinen beiden ersten Verträgen, der eine davon mit Hawaii, der andere mit den Camen islands. Hierbei sollen die Energieanlagen nicht weiterverkauft werden, sondern nur der von ihnen erzeugte Strom. 

Neben den Andersons beschäftigen sich noch viele weiterer Personen mit dieser Energieform, darunter Bryan Beorse und Dr. Clarence Zener von Westinghouse; Dr. Abraham Lavi, Carnegie Mellon; Dr. William Heronemus an der Universität von Massachusetts; Dr. William Avery und Johns Hopkins am Applied Physics Lab; Dr. Robert Cohen vom DOE; sowie Dr. John Craven und Dr. Hans Krock an der Universität Hawaii.

Das Departement of Energy (DOE) fördert seinerseits ab 1974 ein Lockheed/TRW-Programm, bei dem die praktische Erprobung einer schwimmenden Testplattform erfolgt – dem Natural Energy Laboratory of Hawaii (NELHA), etwa 18 Meilen vor Ke-Ahole Point an der Kona Küste von Hawaii. In dem weltweit am weitesten fortgeschrittenen Untersuchungslabor für OTEC-Technologien wird die über 25° betragende Temperaturdifferenz zwischen der Oberfläche und dem 1.000 m tiefen Kaltwasser genutzt. Die ursprünglich erwartete Energieleistung konnte nie erreicht werden, und so wird die Anlage nach Ende der Versuche im Januar 1999 wieder abgerissen. Es erweist sich allerdings, daß das Wasser aus der Tiefe exakt den Bedürfnissen von Aquakultur-Unternehmen entspricht.

OTEC-Design von 1977

Design von 1977

Im August 2001 arbeitet man bei der NELHA allerdings daran, ein 3 km langes und in einem Stück gefertigtes Rohr von 140 cm Durchmesser abzusenken, um damit eine neue 1 – 1,4 MW leistende Anlage zu versorgen. Dieses Teilprojekt kostet 11,2 Mio. $ und sollte im Sommer 2002 abgeschlossen sein. 

Bis 1978 gibt das US-Energieministerium insgesamt etwa 56 Mio. $ für die Erforschung der Nutzung des Temperaturgradienten aus, und William F. Whitmore verbreitet diese Idee aus dem letzten Jahrhundert in einem langen Artikel der Technology Review vom Oktober desselben Jahres. 1980 wird bereits ein Betrag von umgerechnet 335 Mio. DM ausgewiesen. 

Zwischen 1977 und 1983 erscheint eine regelmäßige Publikation unter dem Titel The OTEC Liaison, in welcher über die jeweiligen Entwicklungen auf dem Sektor dieser Energienutzungsmethode berichtet wird. Bislang sind allerdings nur die ersten zwei Jahrgänge online zugänglich. Auf dieser Seite befinden sich allerdings auch noch diverse weitere Fachartikel bis in die Gegenwart hinein.

Die US-Pläne sehen Ende der 1970er eine gestaffelte Versuchsreihe vor: 

1979
 0,5 MW
1980
 1 MW 
1982
10 MW
1983
25 MW
1985
100 MW

Ein 400 MW-Kraftwerk soll dagegen erst nach 1985 erstellt werden – und nur, wenn alle anderen Stufen erfolgreich betrieben worden sind. Auch der US-Atomenergiekommission liegen zu dieser Zeit Pläne für Meereswärmekraftwerke vor, hier soll bis zum Jahre 2000 sogar eine 20.000 MW-Anlage im Meer installiert werden. 

In Frage gestellt werden alle diese Pläne später durch die Untersuchung des ‚OTA’ (das technologische Beratungssamt des amerikanischen Kongresses), in welcher der Schluß gezogen wird, daß die erforderliche Technik derzeit noch nicht beherrscht wird. Und obwohl alleine der Wärmeinhalt des Golfstromes ausreichen würde, den Gesamtenergiebedarf der Vereinigten Staaten des Jahres 1980 um mehr als das 75-fache zu decken (unabhängig davon, ob das technisch lösbar oder überhaupt ökologisch sinnvoll ist), gelten die bis 1985 für die weiteren Versuche erforderlichen 1 Mrd. US-$ als zu hoch – insbesondere weil die beteiligten Firmen von ‚einigen weiteren Milliarden Dollar’ reden, die als Investitionskosten für das Gesamtprojekt mit einkalkuliert werden müßten. 1978 hätte ein 100 MW Kraftwerk mindestens 210 Mio. $ gekostet. 

Tatsächlich funktioniert ab 1979 die erste 50 kW Anlage der NELHA unter dem Namen Mini-OTEC, sie ist auf einem umgebauten Schiff der US Navy installiert, das etwa 2 km vor Keahole Point verankert ist. Bei dem rund 3 Monate dauernden Versuch wird eine Netzeinspeiseleistung von 10 – 17 kW erreicht, da 40 kW der Gesamtleistung für den Betrieb der Pumpen benötigt werden, die das 5,5°C kalte Wasser aus 670 m Tiefe heraufbefördern.

Ein Jahr später wird vom DOE die Testanlage OTEC-1 errichtet, mit der in erster Linie die geschlossenen Kreisläufe von Wärmetauscher an getestet werden sollen. Diese Anlage befindet sich an Bord eines umgebauten Tankers der US Navy, der vor Kawaihae an der Kona-Küste von Hawaii verankert ist, sie gewinnt jedoch keine Energie.

In der Versuchsanlage an der Küste wird derweil Meerwasser entsalzt und nachgewiesen, daß für die Technologie auch große Polyethylen-Rohre genutzt werden können (Durchmesser Kaltwasserrohr: 1,0 m, Warmwasserrohr: 0,7 m).

Im Jahr 1981 nimmt Japan für einige Monate eine 100 kW Anlage in der Republik Nauru im pazifischen Ozean in Betrieb, bei der 90 kW für den Pumpenbetrieb benötigt werden. Das stationäre Kraftwerk auf der Insel bekommt sein kaltes Wasser aus einer Tiefe von 580 m, als Arbeitsmedium wird Freon genutzt, und der Wärmetauscher besteht aus Titanium. Eine höhere Leistung als 31,5 kW wird jedoch nicht erreicht. Dafür findet die CC-OTEC Demonstration Plant Anlage ihren Platz auf einem Briefmarken-Block von 1982.

Briefmarkenblock der Republik Nauru mit OTEC

Briefmarken der Republik Nauru

Spätere Versuche des amerikanischen DOE national laboratory zeigen, daß statt dem teuren Titan auch Aluminium genutzt werden kann, um die großen Wärmetauscher von OTEC Systemen herzustellen. Um 1984 entwickeln die dortigen Experten des Solar Energy Research Institute (SERI, inzwischen: National Renewable Energy Laboratory) außerdem einen speziellen Verdampfer, der das warme Seewasser in Niedrigdruckdampf umwandelt und einen Wirkungsgrad von 97 % erreicht.

Ein 40 MW OTEC-Versuchskraftwerk wird bereits 1983 für eine künstliche Insel am Kahe Point vor der hawaianischen Küste von Oaho geplant – nach Ende der Konstruktionsphase aus Geldmangel aber nicht realisiert.

Eine zweite Art der Thermalgradientenkraftwerke hat als Nebeneffekt sogar noch destilliertes Wasser anzubieten. Bei den 1984 gefaßten Plänen soll der Temperaturunterschied zwischen dem 24°C bis 27°C waren Oberflächenwasser und dem 14°C kalten und etwa 900 m tiefen Wasser genutzt werden, in dem das warme Wasser einem Unterdruck ausgesetzt wird – bis es schon bei den genannten 27°C verdampft. Dieser Dampf soll dann eine Turbine betreiben und anschließend in einem Wärmetauscher entsalzt kondensieren, der mit dem Tiefenwasser gekühlt wird. Bei diesem Konzept des ‚offenen Kreislaufes’ kann auf unsichere oder sogar gefährliche Verdampfungsmittel wie Ammoniak oder Freon vollständig verzichtet werden. Eine erste Pilotanlage mit einer Leistung zwischen 2 und 5 MW soll vor Florida installiert werden. 

Als mögliche Standorte für Meereswärmekraftwerke kommen Hawaii und Puerto Rico in Frage, daneben fast nur noch die Philippinen und Indonesien – eben dort, wo ganzjährig Temperaturdifferenzen von mindestens 25° ausgenutzt werden können. Zwar bleibt das Tiefenwasser auch in anderen Gegenden ganzjährig kalt, aber die Bedingung einer ebenfalls ganzjährig entsprechend warmen Oberfläche wird nirgends sonst so gut erfüllt. 

Das Naturwissenschaftliche Energie-Labor auf Hawaii verkündet 1993, daß es das 4°C bis 5°C kalte Wasser aus 650 m Tiefe nützen will, um eine Versuchsanlage zu betreiben. Das Tiefenwasser soll außerdem auch noch Gewächshäuser kühlen – und in Zukunft sogar den Flughafen von Keahole Point. Tatsächlich ist dort dann von 1993 bis 1998 ein experimentelles Meereswärmekraftwerk mit offenem Kreislauf erfolgreich in Betrieb. Bei einer Oberflächenwassertemperatur von 26 °C und einer Tiefenwassertemperatur von 6 °C (aus 825 m Tiefe) beträgt die Generatorleistung 210 kW, und bei sehr hohen Temperaturen im Spätsommer werden sogar 250 kW erreicht. Sehr wirtschaftlich ist das System trotzdem nicht, denn von den Pumpen werden gleichzeitig etwa 200 kW zur Förderung des Wassers verbraucht.

Die OTEC-Anlage von Keahole Point erwirtschaftet im Mai 1993 während eines Versuchslaufs 50 kW Überschußenergie und bricht damit den bisherigen Rekord des japanischen Systems von 1982 mit dessen Leistung von 40 kW. Inzwischen weiß man auch, daß der Bewuchs von Wärmetauscher-Oberflächen durch die Beigabe kleiner Mengen an Chlor verhindert werden kann.

Kondenser des Keahole Point OTEC

Kondenser des
Keahole Point OTEC

Später wird in Hawaii der Plan eines weiteren Kraftwerks, diesmal mit einer Generatorleistung von 1,4 MW und einer Netzeinspeiseleistung von rund 400 kW, aufgrund fehlender Finanzierung nicht umgesetzt.

Eine Alternative zu unterschiedlichen Wärmeschichten im Meer bilden unterschiedlich warme Flüsse an Land, die in diesem Fall aber auch genügend nah aneinander liegen müßten. Ein derartiges Projekt wird 1976 bei Manaus in Brasilien realisiert, wo ein ammoniakbetriebenes Kraftwerk betrieben wird. Doch sind derartige Fälle äußerst selten und sind aus globaler Sicht weitgehend irrelevant. 

Eine weitere Möglichkeit diskutieren Mitte der 1980er Jahre russische Forscher, die im hohen Norden ein Freon-betriebenes Luft/Wasser-Temperaturgradient-Kraftwerk bauen wollen: Dort würde die Temperaturdifferenz zwischen dem 1°C warmen Meerwasser in 1 m Tiefe und der Lufttemperatur von minus 20° – minus 30°C genutzt werden können. Im Jahr 1991 bestätigten Messflüge des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven, daß im Nordpolarmeer ein Quadratkilometer Wasseroberfläche während des Herbstes 500 MW Wärme an die Atmosphäre abgibt. Sobald sich eine Eisdecke gebildet hat, sinkt der Wärmefluß in die Atmosphäre auf nur 50 MW.

Doch auch diese Vorstellungen sind nicht neu, denn die Idee eines Eiskraftwerkes geht bereits auf den Physiker Dr. Barjot Anfang des lezten Jahrhunderts zurück, der die Temperaturunterschiede zwischen der Luft an den Polen von mindestens – 22°C und dem des Wassers unterhalb der Eisschicht, wo es zumeist eine Temperatur von 2 – 3°C über Null hat, nutzen will. Als Betriebsmittel schlägt er Butan vor, auch aufgrund dessen Eigenschaft, daß es sich im Wasser nicht löst, und als hauptsächlichen Einsatzbereich dieser Technologie sieht er die kanadischen Bergwerksgebiete im hohen Norden mit ihrer bislang unzureichenden Energieversorgung.

Diese Technologie – auch unter dem Namen Polarkraftwerk bekannt – basiert auf einem Wärme/Kälte-Kreislauf, bei dem Eis, Salzlauge, das leicht siedende Butan und nicht gefrorenes Tiefenwasser zum Einsatz kommen, wie aus der schematischen Darstellung ersichtlich wird. Berechnungen ergeben, daß bei einem theoretischen Wirkungsgrad von nur 4 % aus 1 m3 Wasser mit einer Temperatur von + 2°C und einer Lufttemperatur von – 22°C dieselbe Energiemenge gewonnen werden kann, wie aus dem Fall dieses Kubikmeters aus einer Höhe von 1.200 m.

Barjot schlägt jedenfalls diverse geeignete Orte für seine Kraftwerke vor, darunter Nordkanada, Nordsibirien, Alaska, Grönland, Island und die Ufer des weißen Meeres. Er selbst versucht eine erste Anlage an den Ufern der Hudson-Bay zu errichten, kommt über das Planungsstadium jedoch nicht hinaus.

Das Eis- bzw. Schneekraftwerk von Dr. Barjot wird 1931 in dem Buch In 100 Jahren von Hanns Günther, und dann noch einmal 1958/59 von dem Wirtschaftsjournalisten Anton Zischka in dem Werk Vom Tretrad zur Atomenergie beschrieben – danach scheint es aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden zu sein, laut Zischka auf Betreiben der Ölmultis und ihren Raffinerienfreunden, die alles damit zusammenhängende torpedieren, wozu sogar die Vernichtung der Kenntnis darüber gehört. Erst 1982 erscheint in der Januarausgabe der Transatlantik ein Artikel von John McPhee unter dem Titel Eiskraftwerk – eine Patentschrift.

Grafik des Barjot-Eiskraftwerkes

Barjot-Eiskraftwerk (Grafik)

 

Im Jahr 1994 entwickelt der Japaner Dr. H. Uehara einen nach ihm bekannten Kreislauf, den er als Alternative zu dem bekannten Rankine-Kreislauf mit dessen Effizienz von nur 3 % betrachtet. Dieses System von vom Institute of Ocean Energy der japanischen Saga Universität im Rahmen einer 9 kW Anlage getestet, wo man sich bereits seit 1973 mit der OTEC-Technologie beschäftigt. Dabei wird ein Wirkungsgrad von 5 – 6 % festgestellt.

Das erste praktische Experiment in Japan erfolgt im Oktober 1979 vor Shimane, und bereits ein Jahr später wird in der Stadt Imari eine Versuchsanlage errichtet. 1992 wird daraus das OTEC Laboratory, und 1993 meldet man im Namen der japanischen Regierung vier Patente an. Im September 1997 wird ein Memorandum of Understanding mit dem indischen National Institute of Ocean Technology unterzeichnet, als dessen Resultat die OTEC-Testanlage im indischen Meer entsteht. Eine erste Anlage, welche den o.g. Uehara-Kreislauf umsetzt, wird im März 1999 errichtet, mit einer Leistung von 50 kW. Eine ähnliche Vereinbarung wie mit Indien wird im April 2001 auch mit der Republik Palau unterzeichnet. 2003 wird das Institute of Ocean Energy an der Saga Universität offiziell gegründet.

Seit 1989 gilt in Japan die Firma Xenesys Inc. mit Hauptsitz in Tokio im Bereich der OTEC-Technologie als führend. Auf der Seite dieses Unternehmens findet man auch Informationen über den aktuellen Stand der Entwicklungen in Japan.

Die Sea Solar Power Inc. aus York, Pennsylvania, legt im Juli 1994 eine Studie vor, für ein 100 MW OTEC-Kraftwerk an der Küste Sri Lankas vor Kulasekarapattinam, etwa 46 km vom Golf von Mannar entfernt. Über eine Umsetzung ist mir jedoch nichts bekannt.

1996 untersucht die niederländische Energie- und Umweltbehörde Novem gemeinsam mit der Industriegruppe Hoogovens das Konzept des Meerbauingenieurs Frank Hoos, das sämtliche bis dahin geltenden Maßstäbe sprengen würde. Das Projekt MegaPower zielt auf den Temperaturunterschied zwischen dem lauen Meerwasser und den eisigen Minusgraden der höheren Luftschichten. Schon die kleinste Version wäre 5 Kilometer hoch (!) – mit einem Durchmesser von 50 m.

Der MegaPower-Turm soll etwa 30 km von der Küste entfernt auf einem Ponton schwimmen. In seinem Inneren zirkuliert Butangas, das von der Meereswärme verdampft mit Windgeschwindigkeiten bis zu 180 km/h den Kamin hinaufjagt. An der Turmspitze herrscht Frost zwischen minus 10° bis minus 35°C, wodurch sich das Medium wieder verflüssigt und durch ein zentrales Fallrohr wieder hinunterstürzt. Die Turbinen einer derartigen Anlage sollen bis zu 7 GW Leistung erzielen. Um die 400.000 t Gesamtgewicht des Bauwerks aufzufangen sollen vier ellipsoide Wasserstoffballons mit Durchmessern von 360 – 900 m wie Schwimmflügel am Turm befestigt werden.

Eine noch höhere, zweistufige Turmvariante hat sogar eine Bauhöhe von 7,5 km, womit an der Turmspitze Temperaturen von minus 45°C herrschen würden. Im oberen Turmteil würde dann Wasserstoff zirkulieren, was wiederum genügend Auftrieb erzeugt, um auf die Stützkissen am Turmschaft verzichten zu können. Im unteren Segment, das am Boden einen Durchmesser von 2,5 km haben würde, soll Ammoniak als Arbeitsmedium eingesetzt werden. Der gerippte Wärmetauscher an der Turmspitze soll einen Durchmesser von 1,2 km haben. Ein Problem konnte allerdings bislang auch theoretisch noch nicht gelöst werden, denn die Funktionstüchtigkeit läßt sich im verkleinerten Maßstab nicht testen.

Titanium-Wärmetauscher des Sagar Shakti OTEC

Titanium-Wärmetauscher
des Sagar Shakti OTEC

Im Jahr 2000 konstruiert das indische Institute for Energy Studies eine kleine schwimmende OTEC-Anlage mit seiner Leistung von 1 kW, die bei Tamilnadu stationiert wird, am Südzipfel des Subkontinents. Bereits zwei Jahre zuvor hatte das National Institute of Ocean Technology (NIOT) in Madras dem Fachunternehmen Makai Ocean Engineering Inc. den Auftrag für die Verrohrung und den Ansaugrüssel aus Hochdruck-Polyethylen erteilt. Dieses Unternehmen hatte auch schon das Rohr von Keahole, Hawaii, abgesenkt – wo es statt der geplanten zwei Jahre Lebensdauer auch 10 Jahre später noch immer zufriedenstellend funktionierte.

Die indische NIOT OTEC Barke namens Sagar Shakti ist 72 m lang und wird durch eine 1 m durchmessende Pipeline mit 1.415 kg/s Wasser aus 1.000 m Tiefe versorgt. Das indische Regierungsprojekt des schwimmenden 1 MW OTEC scheitert jedoch daran, daß sich diesmal das Ansaugrohr löst und in die Tiefe verschwindet.

Seit dem Oktober 2001 wird das aktuelle Geschehen auf dem OTEC-Sektor sehr ausführlich auf der OTEC News site präsentiert.

Die Firma Sea Solar Power International in Baltimore, Maryland, legt Anfang 2002 Pläne für ein schwimmendes 100 MW OTEC-Kraftwerk vor, das auch in einer Version als reine Entsalzungsanlage mit einem Tages-Output von 500 Mio. Liter Trinkwasser entwickelt wird. Für Demonstrationszwecke werden Vorschläge für einen Festland-OTEC mit einer Leistung von 10 MW gemacht.

Sehr interessante Konzepte werden auch auf der Internationalen Windenergie-Konferenz in Berlin im Sommer 2002 präsentiert. Die Designs stammen von Henning von Holstein und dem Münchener Ingenieurbüro Tassilo Pflanz, und drücken wunderbar die Visionen zukünftiger OTEC-Kraftwerke aus, wie man an dem hier abgebildeten Beispiel sieht. Hier sind auch Windkraft- sowie Wellenenergieanlagen mit einer Leistung von jeweils 36 MW integriert. Die OTEC-Anlage selbst soll 37 MW leisten. Von dem riesigen, schwimmenden Bauwerk befinden sich 700 m unterhalb des Wasserspiegels, während die Spitzen der Windkraft-Türme 260 m weit hinaufragen. Die gewonnene Energie soll hier in Form von Wasserstoff und mittels Tankern vermarktet werden.

OTEC-Design von Dean Willey

Dean Willey-Design

Eine weitere Möglichkeit kaltes Tiefenwasser zu nutzen, wird seit 2003 in Ithaca (US-Bundesstaat New York) an der Cornell-University sowie einer benachbarten Highschool umgesetzt: Statt mit der kostspieligen Klimaanlage werden die Lehrgebäude nun mit 4°C kaltem Tiefenwasser aus dem Cayuga-See gekühlt, was zu einer Energieersparnis von 87 % führte.

Im Frühjahr 2004 wird in Toronto das Deep Lake Water Cooling Projekt in Betrieb genommen. Hier wird dem Ontariosee in einer Tiefe von etwa 83 m Wasser mit einer Temperatur von 4°C entnommen und durch ein Rohrleitungssystem in das Fernkühlwerk der Stadt gepumpt. Dort wird gesammelt, aufbereitet und anschließend als Fernkälte durch ein unterirdisches Rohrleitungsnetz zu den angeschlossenen Gebäuden geleitet. Das System versorgt z.B. die Steam Whistle Brauerei, das Air Canada Center und einige Bürogebäude. Das danach leicht erwärmte Wasser wird zum Teil für die Trinkwasserversorgung der Gebäude verwendet, während der nicht benötigte Rest wieder in den Ontariosee zurückgeleitet wird. Durch dieses Projekt wird der Strombedarf für die Kühlung der Gebäude um 75 % reduziert. Betrieben wird die Anlage von der City of Toronto Water Supply Division gemeinsam mit dem lokalen Energieversorger Enwave.

Ein weiterer Aktivist auf der Szene, den das US-Magazin Wired im Juni 2005 präsentiert, ist der bekannte, auf Honolulu lebende Wissenschaftler und Meeresforscher John Piña Craven, der inzwischen einen umfassenden Plan entwickelt hat, wie man das kalte Tiefenwasser gleichzeitig zur Energieerzeugung, Meerwasserentsalzung, Kühlung, Bewässerung sowie in Aquakulturen nutzen kann.

Grafik des Lockheed OTEC

Lockheed OTEC (Grafik)

Ähnliche Systeme werden nun für 65 Bürogebäude in der Hauptstadt Honolulu entwickelt, die ab 2007 mit Wasser aus dem Pazifischen Ozean gekühlt werden sollen. Die Pumpstation der Firma Honolulu Seawater Air Conditioning wird über eine 4,5 km lange Pipeline aus Polyethylen 6°C kaltes Wasser aus 500 m Tiefe ansaugen. In einem großen Wärmetauscher wird das Salzwasser dann einen Süßwasserkreislauf kühlen, der die Bürohäuser versorgt, wo sich das 7°C kalte Wasser in Leitungen in Wänden und Zimmerdecken verzweigt. Das um rund 5° erwärmte Meerwasser wird derweil über eine zweite Pipeline in den Pazifik zurück geleitet. Die Energieersparnis gegenüber der strombetriebenen Kühlung soll etwa 75 % betragen.

Ein weiteres futuristisches Design – diesmal von Dean Willey – wird während des ersten OTEC Workshop im australischen Townsville Ende September 2005 präsentiert. Das Treffen war auf Initiative der Society for Sustainability and Environmental Engineering zustande gekommen, einer Abteilung der australischen Society of Engineers. Auch hier handelt es sich um ein schwimmendes Kraftwerk, das für North Queensland angedacht ist. Weitere Details darüber liegen mir jedoch nicht vor.

In der Presse taucht das Thema inzwischen häufiger auf, und es scheinen sich auch größere Firmen damit zu beschäftigen. Ein Indiz dafür ist die Grafik einer großen OTEC-Anlage, die aus den Büros der Lockheed Space and Missile Co., Inc. stammt und in einem Artikel vom Sommer 2006 erscheint.

Grenzen der Nutzung bei Meerwasserkraftwerken

Obwohl die Angaben der UNESCO auch von positiven Nebeneffekten sprechen – so sei das aus der Tiefe empor­ gepumpte Kaltwasser bakterienfrei und hätte einen höheren Gehalt an wertvollen Nährstoffen, was der Fischzucht in anliegenden Gebieten zugute kommen würde –, so werden trotzdem gravierende negative Effekte auf Meeresflora und -fauna erwartet, besonders im Hinblick auf die starken Temperaturveränderungen durch das Mischen der verschieden warmen Wasserschichten.

Die Methode des Ausnutzens des Temperaturgradienten ist im allgemeinen sehr teuer, auch beim Gebrauch von Spitzenmaterialien wird höchstens mit einer 40-jährigen Funktionstüchtigkeit gerechnet. Wegen dem sehr geringen Wirkungsgrades ist eine große Anzahl derartiger Kraftwerke erforderlich, was wiederum eine starke ökologische Belastung erwarten läßt.

Probleme bringen die Verankerung, die Stabilisierung gegenüber Strömungen und auch die Wartung mit sich. Weiterhin besteht das Problem der Veralgung auf der warmen Seite des Wasserkreislaufes. Da in Küstennähe die notwendige Meerestiefe nur sehr selten vorkommt, ist eine teure Energieübertragung über große Entfernungen bis zum Verbraucher erforderlich. Die gut nutzbaren tropischen Gewässer liegen außerdem viel zu weit von den Zentren des industrieller Großverbrauchs entfernt, als daß eine Energieübertragung wirtschaftlich wäre. Der geringe Wirkungsgrad resultiert übrigens z.T. aus dem erforderlichen hohen Energieaufwand für das Bewegen der großen Wassermassen mittels Pumpen – für eine 100 MW-Anlage müssen immerhin 400.000 l/s umgeschlagen werden.