Wasserenergie
Energie aus Wasser, Wasserenegie
„Wasser ist die Kohle der Zukunft!“
Jules Verne (1874)
Wasserkraft ist die einzige sich erneuernde Energiequelle, die schon länger großtechnisch genutzt wird und nennenswert zur Versorgung der Erdbevölkerung beiträgt. Die Art und Weise dieser Ausnutzung ist sehr unterschiedlich, zu Energiezwecken wird aber meistens ein natürlicher oder künstlich hervorgerufener Wasserstrom bzw. Wasserfall durch Turbinen geleitet, welche – unabhängig von Ihrer Art – die Strömungsenergie oder die Fallenergie des Wassers in mechanische Rotationsenergie umwandeln, wobei nachgeschaltete Generatoren aus dieser Rotationsenergie wiederum elektrischen Strom erzeugen. Sämtliche Transformationsprozesse dieses Vorgangs laufen mit sehr hohen Wirkungsgraden ab, auch haben die Installationen im allgemeinen eine recht lange Lebensdauer und die potentielle Gefährdung der Umwelt ist relativ gering.
Die Erneuerung der Wasserenergie in der Hauptsache auf die Sonneneinstrahlung und die mit ihr zusammenhängenden Verdunstungsrate zurückzuführen, obgleich auch Erdrotation, Erdkernwärme, Gravitation, Mondanziehung usw. wichtige Rollen dabei spielen.
Das wirtschaftlich ausbaubare Wasserkraftpotential der Welt umfaßt 15 Milliarden MWh jährlich. Davon werden erst rund 20 % genutzt, obwohl Wasserkraft unter den erneuerbaren Energien bereits eine herausragende Stellung einnimmt: Etwa 19 % des gesamten weltweiten Nettostromverbrauchs stammen im Jahre 2000 aus dieser Energiequelle, während alle anderen regenerativen Energien zusammen lediglich 1 % beitragen!
Während der Arbeit an dieser Untersuchung habe ich in der Literatur kaum Kritik am Konzept der Wasserenergienutzung gefunden, eine Ausnahme bildet hierbei die Behauptung, daß das ‚lebendige’ Wasser in Schnelläuferturbinen sozusagen ‚totgeschlagen’ wird. Dem interessierten Leser sei mitgeteilt, daß besonders die ‚Schauberger-Schule’ diese Meinung vertritt und darüber auch wiederholt publiziert hat. Als Alternative zu den genannten Turbinen schlagen die Vertreter der Theorie des ‚lebendigen’ Wassers vor, von ihnen selbst entwickelte Wirbelturbinen einzusetzen, die außerdem noch einen höheren Wirkungsgrad besitzen sollen.
2005 habe ich erfahren, daß Voith Siemens Hydro für amerikanische Kunden Turbinen entwickelt hat, die durch spezielle Kanäle Luft ins Wasser blasen. So ergänzen sie den schlechten Sauerstoffhaushalt eines Flusses. Sogar fischfreundliche Turbinen hat das Unternehmen im Programm. Ihre Schaufeln sind so geformt, dass sie den Fischen ein sicheres Durchschwimmen ermöglichen.
Es kann in jedem Fall konstatiert werden, daß trotz der inzwischen Jahrhunderte langen Erfahrung im hydromechanischen und hydroelektrischen Bereich die Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist.
Schauen wir uns deshalb zuerst einmal die gegenwärtige Lage an, die sich besonders dadurch auszeichnet, daß die weltgrößten Potentiale der Wasserenergie fast ausnahmslos fernab der Verbrauchszentren liegen – was durch die Transportverluste fast aller derzeitigen Übertragungssysteme teilweise äußerst problematische Folgen hat. Die Weltkapazität 1979 betrug 340.000 MW, im Jahr 1980 war sie bereits auf 363.000 MW angewachsen. Zu dieser Zeit befanden sich 123.000 MW im Bau und 240.000 MW in Planung. 2005 lieferte die Wasserkraft noch immer knapp 18 % der weltweit erzeugten elektrischen Energie und lag damit fast gleichauf mit der Kernkraft.
In der BRD wurden 1974 rund 231.410 GWh Strom erzeugt, der Anteil der Wasserkraft daran betrug jedoch nur 6,7 % (15.347 GWh). Noch 1964 lag der Anteil bei 10,3 %, und die Kapazität wurde inzwischen sogar um 45 % erweitert, dennoch haben die anderen Energieträger die Wasserkraft anteilmäßig weit überholt. Vom Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke e.V. in München verlautete, daß im Jahr 1999 in Deutschland rund 22 Mrd. kWh aus Wasserkraft erzeugt wurden, und daß sich dieser Betrag auch unter der Beachtung ökologischer Gesichtspunkte um 50 % steigern ließe.
Wasserkraft ist jedenfalls noch immer die wichtigste erneuerbare Energiequelle in Deutschland. Insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg wird das natürlich Gefälle von Fließgewässern für die Stromerzeugung ausgenutzt. Das Potential sei laut einer Schätzung des Bundesumweltamtes aber schon zu 70 % ausgeschöpft. Nach Einschätzung der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg e.V. von Anfang 2003 läßt sich die Stromgewinnung aus Wasserkraft trotzdem um 60 % steigern: Zur Zeit werden jährlich 25 Mrd. kWh mit Wasserenergie erzeugt, weitere 15 Mrd. kWh seien zusätzlich möglich. Das entspräche der Leistung von zwei Atomkraftwerken oder dem Elektrizitäts-Bedarf von ca. 10 Millionen Menschen. Für diese Analyse gibt es gute Argumente, denn u.a. sind heute in Deutschland mit 7.000 – 10.000 Anlagen nur noch rund ein zehntel der Wasserkraft-Werke in Betrieb wie um das Jahr 1900, einer Epoche mit vielen, dezentralen Mühlen-Betrieben.
Auf dem Niveau Westeuropas war die Wasserkraft im Jahre 1977 mit 8 % an der Energieversorgung beteiligt, und ohne grundlegend neue Konzepte ließe sich dieser Prozentsatz auch kaum mehr anheben, wurde damals behauptet. Dieser Aussage zum Trotz erreichte der Anteil der Wasserkraft an der gesamten Stromerzeugung der EU im Jahre 2000 bereits 13,9 %, was eine bemerkenswerte Steigerung darstellt.
Mehr als 20 Länder der Erde decken ihren Strombedarf zu über 90 % aus der Wasserkraft. Spitzenreiter sind Norwegen, Island und Paraguay (100 %), Brasilien (84 %), Österreich (64 %), Kanada und Venezuela (62 %), Schweiz (58 %), Schweden (51 %) und Chile (50 %). Deutschland liegt mit 4,8 % im internationalen Maßstab ziemlich weit hinten (Stand 1995).
Von der weltweit geschätzten Wasserkraft (Flüsse) von ca. 30 · 1012 kWh pro Jahr werden derzeit etwa 8,5 % genutzt (Stand 1983). Im Jahr 1999 werden weltweit pro Jahr rund 2.300 Mrd. kWh erzeugt – und riesige Wasserkraftreserven mit rund 15.000 Mrd. kWh/a liegen noch brach. Mit diesem Gesamtpotential könnte der Weltstrombedarf vollständig gedeckt werden.
Weltweit sind nur noch ein Drittel der 177 großen Flüsse (ab 1.000 Kilometer Länge) und ihrer Nebenflüsse frei von Dämmen, Staustufen und Sperrwerken. Laut einer WWF-Studie vom 13.03.2006 fließen nur noch 21 Flüsse und 43 Nebenflüsse uneingeschränkt von der Quelle bis zur Mündung. Die meisten der letzten frei fließenden Flüsse fand der WWF in Asien (z.B. Brahmaputra, Irawadi, Salwin), gefolgt von Süd- und Nordamerika (Amazonas, Orinoco, Mackenzie). In Europa westlich des Uralgebirges gibt es einzig noch die Petschora in Russland, die unbeeinflusst ist.
Die größten Möglichkeiten für die Errichtung zusätzlicher Anlagen (insbesondere Staudämme) bestehen in Afrika, in Südamerika und in Südostasien, wo auch überall verschiedene Großprojekte im Gange sind. Denn gerade die Hydroelektrische Energieerzeugung ist wie kaum eine andere so sauber, sicher, billig und wirtschaftlich. Das macht eine weitere Erforschung und Ausnutzung dieses Bereiches so wünschens- und erstrebenswert… und auch so wahrscheinlich. Immerhin ist das Wasser auch die am meisten vorkommende Substanz auf unserem Planeten.
Außerdem geht die Nutzung der Kraft des fließenden Wasser – also im Grunde der Gravitation – auf die schon sehr früh erfolgte Anwendung in Wassermühlen zurück. Der Mensch hat tatsächlich eine Jahrtausende Jahre lange Erfahrung in diesem Bereich. Bevor wir nun die einzelnen zeitgenössischen Formen dieser Nutzung betrachten, möchte ich daher noch einen kleinen historischen Abriß geben.
Geschichtlicher Rückblick, Energiegewinnung aus Wasser
Wassermühlen
Die sehr wahrscheinlich ältesten Maschinen dieses Planeten, die sich seit etwa 2.500 Jahren mehr der minder ununterbrochen (!) in Bewegung befinden, sind die römischen Wasserräder am Orontes in Syrien. Diese zum Teil über 20 m durchmessenden Schöpfräder, die an kilometerlange Viadukte angeschlossen sind, werden von der Strömungsenergie des Flusses selbst angetrieben, ihr Wasser diente lange Zeit zur Wasserversorgung insbesondere der Stadt Hama, heute wird es nur noch zur Bewässerung genutzt.
Die einzelnen Elemente der als ‚die singenden Wasserräder’ bezeichneten Anlagen – vor Ort heißen sie nawa’ir oder Norias – werden zwar von Zeit zu Zeit erneuert, schließlich ist das gesamte Schöpfrad ja aus Holz, aber das System an sich blieb seit seiner frühen Installation im Grunde unverändert. Der ‚Gesang’ stammt übrigens aus der in Stein gelagerten Holzachse, die von dem überall herablaufenden und –tropfenden Wasser geschmiert wird. Am leichtesten kann man ihn mit dem Gesang der Wale vergleichen, wo sich die Töne sprungartig und trotzdem gleitend zwischen sehr weit auseinander liegenden Oktaven bewegen – zwischen tiefem Knarzen und hohem Singen.
Ähnliche, allerdings kleinere Versionen dieser Wasserräder lassen sich auch im Süden der Türkei, z.B. am Göksu finden. Wirtschaftlich sind derartige Systeme durch ihre permanente und kostenlose Förderleistung, die allerdings von Rad zu Rad sehr unterschiedlich sein kann. Außerdem haben die Räder auch eine zunehmende Rolle als Touristenattraktion übernommen.
Mit welchen Mitteln zur gleichen Zeit die über 100 m hoch gelegenen ‚Hängenden Gärten’ des Königs Nebukadnezar bewässert worden sind, ist mir leider nicht bekannt. Der ehemalige irakische Präsident Saddam Hussein hatte zwar schon 1990 einen Wettbewerb unter den Bewohnern des Irak ausgeschrieben, dessen Hauptpreis mit immerhin 1,5 Mio. $ recht hoch angesetzt war – es ging darum, eine umsetzbare Lösung zu finden, aber nur mit den Mitteln des 6. Jahrhunderts v.Chr. Bedauerlicherweise ist mir nichts über die Ergebnisse dieses Wettbewerbs bekannt.
(Modell)
Es gibt außerdem Hinweise darauf, daß die Wasserkraft vor ca. 2.600 Jahren im Fernen Osten genutzt wurde – und verschiedene Forscher gehen davon aus, daß sich mindestens drei verschiedene Konstruktionen des Wasserrades unabhängig voneinander an geographisch verschiedenen Orten entwickelt haben.
Die einfachste und früheste Art waren Schaufelräder wie die Norias in Syrien und deren Weiterentwicklung durch Philon von Byzanz – sowie die Kombination von Wasserrädern mit Schraubenpumpen.
Diese häufig als archimedische Schrauben bezeichneten Wasserhebewerke werden heute noch in Ägypten genutzt – und dort soll sie Archimedes (287 – 212 v. Chr.) während einer Reise um 220 v. Chr. auch kennengelernt haben. Anderen Quellen zufolge hätte rund 500 Jahre zuvor schon der assyrische König Sanherib (ca. 745 – 681 v. Chr.) derartige Wasserförderanlagen eingesetzt.
Das hier abgebildete Modell ist im Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt ausgestellt. Den dortigen Modellbauern ein großes Lob an dieser Stelle!
Bei der Noria von Philon wird das Drehmoment des Schaufelrades dagegen auf eine Kette auf einer Welle mit einer dreieckigen Trommel übertragen. Die Drehung der Trommel beförderte die wassergefüllten Behälter nach oben, wo sie sich in eine Leitung entleerten.
mit senkrechter Achse
Ähnlich waren auch die zumeist von Tieren angetriebenen Göpelwerke gebaut, mit einer Kette von Tonkrügen (Sakiah). In Illyria (dem späteren Jugoslawien und Albanien) sowie in Westanatolien soll es bereits 100 v. Chr. Wasserbetriebene Kornmühlen gegeben haben. Der griechische Historiker und Geograph Strabo (63 – 26 n.Chr.) berichtete, daß König Mithradates VI aus Pontos in Asien bereits eine wasserbetriebene Mühle besessen habe.
Die zweite Form der Wassermühlen ist das horizontale Wasserrad mit senkrechter Achse, das die erste ‚Automation’ in Werkstätten und im Haushalt ermöglichte.
Eine dieser Vorrichtungen ist das Wasserrad, das oft Vitruvius zugeschrieben wird, und das sich in den ersten Jahrhunderten n. Chr. schnell verbreitete. In seiner Schrift De architekture sind die senkrechte Achse und die gebogenen Schaufeln genau beschrieben.
Die Anlagen wurden als Antriebe für Getreidemühlen verwendet und werden im Balkan auch heute noch benutzt. Die Löffelräder – eigentlich Vorläufer der Freistrahlturbinen – sind besonders für kleinere Wassermengen mit größerem Gefälle geeignet und waren vor allem in Gebirgsgegenden verbreitet. Die Leistung eines Löffelrades beträgt bei einem Wasserzulauf von 20 l/s und 10 m Gefälle etwa 0,5 kW.
Ihre älteste poetische Erwähnung findet die Wassermühle in dem Gedicht des griechischen Dichters Antipater von Thessaloniki, in dem er um 85 v. Chr. die Befreiung der jungen Frauen von der mühevollen Arbeit mit primitiven, handbetriebenen Kornmühlen feiert:
„Hört auf, Mehl zu mahlen ihr Frauen, ihr plagtet euch an Handmühlen.
Bleibt liegen, auch wenn der Schrei des Hahnes den frühen Morgen ankündigt.
Demeter hat den Wassernymphen befohlen
Die Arbeit eurer Hände zu vollbringen.
Sie springen an das Rad, sie drehen die Achse,
die das Getriebe, und die schweren Mühlsteine bewegt.“
Große Wasserräder sind meist unterschlächtig, während die in Mitteleuropa Wasserräder von Mühlen zumeist oberschlächtig waren bzw. sind. Damit erzielten sie einen größeren Nutzeffekt, da nicht nur die Strömungs-, sondern auch die Fallenergie des Wassers ausgenutzt wurde.
In den ersten Jahrhunderten n. Chr. verbreiteten sich Wassermühlen jenseits der Grenzen des römischen Imperiums verhältnismäßig langsam. Nach dem dänischen Archäologen A. Steenberg war die Wassermühle in Dänemark um die Zeitenwende schon bekannt. Im 4. Jahrhundert n. Chr. bauten die Römer eine große wasserbetriebene Mühlenanlage in Barbegal bei Arles in Frankreich. Dort erzielten acht Paar oberschlächtige Wasserräder (Durchmesser 220 cm, Breite 70 cm), von denen jedes zwei Mühlsteine antrieb, eine Mehlproduktion von täglich 2,8 Tonnen!
Doppelkolbenpumpe
Überhaupt war man damals technologisch schon viel weiter fortgeschritten, als sich das heute viele vorstellen. 1971 wurde bei Wederath im Hunsrück z.B. eine hölzerne Doppelkolben–Druckpumpe gefunden, die in 16 m Tiefe im Grundwasser der römischen Siedlung Vicus Belgium montiert war und aus einer Zeit um 300 n. Chr. stammt. Ein Steigrohr und das Gestänge für den Kolbenantrieb führten nach oben zur Brunnenzapfstelle. In den hölzernen Pumpenstock sind zwei bleigefütterte Zylinder gebohrt, als Ventile dienten die bleibeschwerten Lederklappen, wägrend die hölzernen Kolben mit Leder abgedichtet waren. Sie wurden gegenläufig auf und ab bewegt, vermutlich mit einem gemeinsamen Hebel. Der aufwärtsgehende Kolben saugt Wasser in den Zylinder, der abwärtsgehende drückt es in die Ventilkammer und in das Steigrohr.
Neben diesen hölzernen Brunnenpumpen (bei dem Foto handelt es sich um eine Nachbildung aus dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz) besaßen die Römer auch präzise gefertigte Bronzepumpen, die nach dem gleichen Prinzip arbeiteten.
Wasserrad
Als im Jahre 1066 Wilhelm der Eroberer England in Besitz nahm, soll es dort – bei einer Bevölkerung von knapp 1 Million Menschen – rund 8.000 Wassermühlen gegeben haben. Die große Volkszählung 1086 in England vermerkt in dem ‚Doomsdaybuch’ jedenfalls, daß im Land südlich des Trent River 5.624 Wassermühlen betrieben werden – was etwa einer Mühle pro 400 Einwohner entsprach. Zu dieser Zeit betrieben die Wasserräder nicht nur Getreidemühlen, sondern auch Erzzerkleinerungsanlagen und Schmiedehämmer.
Am Ende des Mittelalters trieben Wasserräder auch Blasebälger und Erzförderanlagen an – sowie Maschinen zum Drahtziehen, Gerben, Walken, Sägen, Zerkleinern, um nur einige zu nennen. Die Automation ihrer Werkstätten durch Wasserenergie betrieben im Mittelalter in erster Linie die Mönche des Benediktinerorden. Verschiedene Quellen erwähnen den ‚Technologietransfer’ von Wasser- und Windmühlen, der zu jener Zeit zwischen dem arabisch geprägten Andalusien und dem europäischen Kontinent stattfand.
Eine interessante Anwendung des Wasserrades findet man in den schwimmenden Mühlen. Erfunden wurden sie während der Belagerung Roms durch die Goten 537 n. Chr. durch den byzantinischen Feldherrn Belisarius, der ein Jahr zuvor die meisten römischen Provinzen auf der italienischen Halbinsel besetzt hatte. In jener Zeit wurden die meisten Wassermühlen in Rom durch Wasser aus den Aquädukten betrieben. Die Belagerer zerstörten diese Wasserzufuhr, um die Römer auszuhungern. Daraufhin ordnete Belisarius an, Getreidemühlen mit Wasserrädern auf Schiffen zu bauen, die dann im Tiber verankert wurden.
Im Laufe der Jahrhunderte verbreitete sich die Erfindung, und man betrieb schwimmende Mühlen in Venedig wie auch in Bagdad. Der Geograph Ibn Hauqal berichtet im 10. Jahrhundert, daß auf dem Tigris bei Mosul Schiffsmühlen aus Holz und Eisen existierten, die von Eisenketten gehalten in der Mitte des Flusses lagen. Im 12. Jahrhundert wurden drei schwimmende Mühlen unter dem Brückenbogen des Grand Pont in Paris installiert.
Es muß wohl gegen Ende des 15. Jahrhunderts gewesen sein, als Leonardo da Vinci die ‚archimedische’ Spirale weiterentwickelte. Statt einer starren, inneren Schraube wickelte er Schläuche um die schrägliegende Rundachse – und löste damit nebenbei das Problem der Undichtie. Wenn man das Synergetische Modell aus Teil D bereits kennt, könnte man hier den Versuch sehen, Wasser mittels einer Spiralbewegung und der möglichst ‚senkrechten’ Ausrichtung der Achse hoch zu fördern. Mir ist allerdings nicht bekannt, ob später irgendwo auf dieses System zurückgegriffen wurde. Die ersten wasserbetriebenen Kolbenpumpen gehen bereits auf das 11. Jahrhundert und den arabisch-islamischen Kulturraum zurück, wie zum Beispiel eine Zweizylinder-Anlage, die um 1200 von al-Gazari (eigentlich: Ibn Ismail Ibn al-Razzaz Al-Jazari, 1136 – 1206) beschrieben wurde. Dieser aus dem heutigen Syrien stammende Technologe entwickelte neben diversen Hebewerken, Pumpen und anderen Maschinen auch humanoide Roboter – ganz im Stil der damaligen ‚Moderne’.
In einem von dem osmanischen Astronom und Ingenieur Taqiyaddin Muhammad bin Ma’ruf 1553 verfaßten Buch über pneumatische Vorrichtungen wird sogar eine Pumpe mit sechs Kolben beschreiben, deren Modell man ebenfalls in der Frankfurter Universität in anschauen kann.
Vom 16. bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert wurden Wasserkraftmaschinen mit immer größer werdenden Leistung gebaut. Einige eindrucksvolle Maschinen dieser Art wurden von dem Deutschen GeorgAgricola (1494 – 1555) in seinem Werk De re metallica beschrieben, das ein Jahr nach seinem Tod veröffentlicht wurde. Dort findet man auch das Konzept einer wasserbetriebenen Grubenbelüftung.
Das Rednitz-/Regnitztal mit seinen eiszeitlichen Sandböden gehört zu den niederschlagsärmsten Zonen Bayerns. Vor über 500 Jahren wurde dort deshalb die Wiesenbewässerung mit Wasserschöpfrädern eingeführt. Zur Blütezeit im 18./19. Jahrhundert drehten sich mehr als 200 Schöpfräder and der Flußstrecke von Schwabach bis Forchheim. Nördlich von Erlangen, bei Möhrendorf, drehen sich noch jeden Sommer die letzten acht der Regnitz-Wasserschöpfräder an ihrem historischen Standort.
Wer diese fränkische Variante der arabischen Norias ins Frankenland brachte, ist unbekannt. Urkundlich nachgewiesen sind die Wasserschöpfräder an der Regnitz seit 1413, in Möhrendorf seit 1486. Erstmals versuchte Hans Gießberger im zweiten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts Licht in die Verbreitung und dunkle Herkunft der Wasserschöpfräder in Bayern zu bringen. Die bisher umfassendste Dokumentation über Wasserschöpfräder – mit dem Schwerpunkt fränkische Wasserschöpfräder an Rednitz/Regnitz und Pegnitz – stammt von Konrad Kupfer (1931, mit einem Nachtrag von 1958).
Alte Senkrechtachsen-Wassermühlen aus Holz (gharats), die für Fallhöhen von 2 – 6 m installiert werden und bei 100 U/m umgerechnet etwa 0,3 kW erreichen, werden aber noch heute in großen Zahlen eingesetzt. Diese sehr einfachen Mühlen werden wie schon seit Jahrhunderten lokal aus Holz und in Handarbeit hergestellt, sie können pro Stunde etwa 5 – 10 Kg Korn mahlen.
Man schätzt, daß es auch nach der Jahrtausendwende noch etwa 200.000 derartige Mühlen im Indischen Himalaja gibt, 25.000 in Nepal, sowie weitere in Pakistan, China, Afghanistan, Myanmar und in Teilen der Türkei.
Den ersten Anstoß zur Nutzung der Druckenergie des Wasser gab der Göttinger Arzt und Physiker Johann Andreas von Segner (1704 – 1777), als er im Jahre 1750 sein ‚Rückstoßwasserrad’ vorstellte.
1775 soll ein Pierre-Simon Girard ebenfalls eine frühe Form von Wasserturbine erfunden haben.
In diesen Jahren entwickelte der Mathematiker Leonhard Euler (1707 – 1783) die ersten Grundgleichungen der Hydraulik, und nach Erfindung des elektrischen Generators beginnt man, die wassererzeugte Rotation zunehmend zur Stromgewinnung einzusetzen.
Man sollte nun aber nicht denken, daß die Entwicklung des Wasserrades schon abgeschlossen ist – auch nicht nach über 2.000 Jahren. Der Ingenieur Hartmuth Drews aus Pinneberg hat beispielsweise ein Segmentkranz-Wasserrad mit optimierten Schaufeln entwickelt. Die Laser-gefertigten Edelstahl-Schaufeln sitzen auf Radarmen aus Lärchenholz. Ein 25 kW Kleinwasserkraftwerk kostet komplett montiert, inkl. Generator und Schaltschrank knapp 80.000 €.
Wasserrad
1991 wird der erste Prototyp des Pedley Wheel hergestellt, ein modernisiertes Wasserrad, das der Brite Paul Bromley erfunden hat. Nachdem 1997 ein Metallrad entwickelt wird, das sich mit 10 U/min dreht und den Generator über ein Traktorgetriebe in Rotation setzt, folgen Ende der 1990er die ersten Installation in Matigahatanne und Amanawella auf Sri Lanka. Das Rad Nr. 1 kostete 7.000 $ und produziert 2,5 kW. Bis 2004 werden dort noch mehrere weitere Pedley Wheels in Betrieb genommen, danach auch die ersten Räder in Großbitannien.
Ein weiteres Wasserrad zur Wasserförderung wird von John Hermans aus Clifton Creek, Victoria, gebaut. Es kommt 2007 in die Presse und zeichnet sich durch absoluten Minimalismus aus: Zwischen den zwei Schaufelsätzen sitzt ein spiralförmig ‚aufgewickelter’ Schlauch, dessen äußere offene Seite bei jeder Drehung durch das Wasser geführt wird und dabei einen Teil aufnimmt. Im Laufe der Drehungen fließt das Wasser immer weiter zum Zentrum hin, wo es über eine Flanschkupplung weitergeleitet werden kann.
Übrigens gilt in Deutschland seit 1994 der 16. Mai als ‚Mühlentag’.
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